
© A. Klaer
Milder Winter in Brandenburg: Blüten statt Streusalz
Der Winter lässt in Potsdam auf sich warten. Das hat allerdings nicht nur Folgen für die Natur, sondern auch für den Weihnachtsmarkt.
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Potsdam - Ausgelassene Stimmung auf dem Luisenplatz: Fast zwei Dutzend Jugendliche drehen am Dienstag auf der Eislaufbahn ihre Runden, mal schneller, mal langsamer. Andere sind schon fertig und stehen neben der Bande – manche von ihnen haben nicht mal Jacken an. Das Kunsteis der Laufbahn ist das Einzige, was wirklich kalt ist. Dafür sorgt ein Kühlaggregat, das nebenan im Dauerbetrieb brummt. Doch schon ein paar Meter weiter blühen einige Blumen am Fuße eines Baumes. Winterwetter? Fehlanzeige.
Seit Tagen liegen die Tagestemperaturen bei um die zehn Grad plus. Dass die vergleichsweise hohen Temperaturen für Ende Dezember nicht ohne Folgen für die Vegetation bleiben, weiß auch die Stadtverwaltung. „Winter- und frühblühende Sträucher stehen teilweise in Vollblüte“, so Herbert Claes, der in der Stadtverwaltung für die Grünflächen zuständig ist, „beispielsweise Kirschbäume in der Havelbucht und der Duftende Schneeball auf der Freundschaftsinsel“. Dies sei zwar sehr früh, aber auch in den vergangenen beiden Jahren kam es bereits zu vergleichbaren Erscheinungen.
Die ersten Schneeglöckchen sind schon zu sehen
Auch in den Parks der Schlösserstiftung macht sich der bislang ausbleibende Winter bemerkbar. „Die milden Temperaturen sorgen dafür, dass Pflanzen früher austreiben oder blühen“, so Sprecher Frank Kallensee. Das treffe zum Beispiel auf den Echten Jasmin oder die Zaubernuss zu, die eigentlich erst im Januar oder Februar blühen. Blüten haben auch schon die Forsythie oder der Goldlack hervorgebracht und an geschützten Stellen sind mitunter auch schon Schneeglöckchen zu sehen.
Auch Blumenzwiebeln reagieren auf das warme Wetter. „Erste Spitzen schauen inzwischen aus dem Erdreich“, so Kallensee. Die Zwiebeln, zum Beispiel Tulpen, wurden im November gesteckt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Pflanzen auch eine kommende Kälteperiode überstehen. „Es ist ja nicht der erste warme Dezember.“
Winter aufgeschoben, aber nicht aufgehoben
Auch die Stadtverwaltung sieht noch keine Anzeichen für Schädigungen. Im Herbst hatte sie mehr als 160 000 Blumenzwiebeln in die Erde der städtischen Grünanlagen bringen lassen. Ob der ausbleibende Winter der heimischen Vegetation schadet, wird sich wohl erst später zeigen. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Winter zwar aufgeschoben, aber noch nicht aufgehoben ist“, so Claes. Eine unmittelbare Auswirkung sowohl im negativen wie im positiven Sinne erwarte man noch nicht. Belastender für die Bestände seien wiederholte Wechsel zwischen Phasen mit warmen beziehungsweise kalten Temperaturen im Laufe des Winters.
Doch können ohne Frost auch Schädlinge besser über den Winter kommen? Das brandenburgische Umweltministerium gehe grundsätzlich davon aus, dass sich der Eichenprozessionsspinner trotz aller Erfolge bei der koordinierten Bekämpfung im Land Brandenburg weiter in Richtung Südosten ausbreiten werde und auch in 2016 Maßnahmen zur Bestandsreduzierung ergriffen werden müssen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Die gegenwärtige Witterung ändere nichts an der Prognose.
Meistgekaufte Pflanze ist derzeit der Weihnachtsbaum
Bei der Schösserstiftung will man erst mal abwarten: Der Eichenprozessionsspinner werde durch solche Klimakapriolen wenig beeinträchtigt. Für Prognosen sei es aber noch zu früh. Problematischer für die Schlösserparks sei der langfristige Klimawandel. Deshalb habe die Stiftung mit der TU Berlin ein Forschungsprojekt initiiert, um praktische Handlungsempfehlungen für die historischen Gärten zu erarbeiten.
In ihren privaten Gärten scheinen die Potsdamer weiter auf Winter eingestellt zu sein, auch wenn er nicht kommt. „Die meistgekaufte Pflanze ist im Moment der Weihnachtsbaum“, sagt Marktleiter Oliver Jäckel vom Hellweg Bau- und Gartenmarkt in Babelsberg. Der Bedarf nach Artikeln für Gärten sei überschaubar. Das warme Wetter mache sich vor allem dadurch bemerkbar, dass kaum Schneebesen und Streusalz gekauft werden.
Lieber kühles Bier statt warmen Glühwein
Auf dem Potsdamer Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße wird der fehlende Winter ignoriert. Das Geschäft an den Glühweinständen laufe sogar besser als 2014, so Eberhard Heieck vom Veranstalter Coex. Vor einem Jahr verhagelten starker Wind und Regen das Geschäft. Verglichen damit seien die milden Temperaturen sogar ein Vorteil, weil sich die Besucher länger im Freien aufhalten.
Viele Kunden hätten jedoch nach kühlem Bier statt heißem Glühwein gefragt. Einige Anbieter seien darauf eingegangen und hätten Flaschenbier ins Sortiment genommen. Weniger gut wirke sich das warme Wetter an Ständen aus, die warme Mützen, Schals und Handschuhe anbieten.
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