Landeshauptstadt: Bollhagens Akten und mehr
44 Kilometer Akten im Landeshauptarchiv / 22 000 Anfragen gab es im Jahr 2007
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Bornim – Manch brisantes Dokument befindet sich in den 44 Aktenkilometern des Landeshauptarchivs auf dem Windmühlenberg in Bornim. „Wie wichtig Archivbestände sind, haben wir an den aktuellen Diskussionen zum Bodenreformland gesehen“, hob die Ministerin für Forschung und Kultur des Landes Brandenburg Johanna Wanka gestern vor Ort hervor. Für die Lebensgeschichte der Keramikerin Hedwig Bollhagen, für welche die Stadt Potsdam ein Museum einrichten wolle, seien die Bestände ebenfalls von aktueller Bedeutung.
„Der Nachlass von Hedwig Bollhagen kam 2005 in einem chaotischen Durcheinander ins Landeshauptarchiv“, informierte Direktor Klaus Neitmann gestern auf der Jahrespressekonferenz. Die archivarische Bearbeitung und die Erarbeitung der „Akte Bollhagen“ als Findbuch besorgte Susanna Wurche. Vom Meisterbrief des Töpferhandwerks der Handwerkskammer Berlin für „Fräulein Hedwig Bollhagen“ aus dem Jahre1939 bis zu filigranen Dekor-Entwürfen für keramische Produkte zeugen tausende Archivalien vom Leben der Handwerkerin. Darunter sind auch Nachweise über die Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiter in den „H.B. Werkstätten“. Diese und andere Dokumente arbeitet derzeit eine Kommission auf, um Bollhagens Wirken in der Zeit des Nationalsozialismus zu beurteilen. Auf Nachfrage sagte Wanka, sie sehe das Potsdamer Bollhagen-Museum nicht gefährdet, aber die Ergebnisse der Kommission seien abzuwarten. Voraussichtlich im Juli will das Zentrum für Zeithistorische Forschung seine Erkenntnisse zu Hedwig Bollhagen in der NS-Zeit vorlegen.
Für das Landeshauptarchiv ist Bollhagens Akten-Nachlass nur eine Marginalie. Den Hauptdruck erhalten die 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die 22 000 schriftlichen Anfragen, die laut Neitmann allein im Jahre 2007 beantwortet werden mussten. Um zwanzig Prozent seien die Auskunftswünsche gewachsen. Hierbei dominieren die Rechts- und Vermögensangelegenheiten. Behörden, Gerichte, Rechtsanwälte und Privatpersonen suchen in zigtausenden von Einzelfällen nach Unterlagen über Eigentumsverhältnisse an Mobilien und Immobilien, um ihre Ansprüche auf Rückgabe, Entschädigung oder Wiedergutmachung anmelden zu können. Die Angaben sind aus den bis 1990 geschlossenen Grundbuchakten, die in den Magazinschränken einer riesigen Halle lagern, zu entnehmen. Besitzer von Bodenreformland, die sich durch das Land geprellt fühlen, werden hier allerdings nicht fündig; sie müssen in den aktuellen Beständen der Grundbuchämter suchen. Anfragen zum Schicksal jüdischen Vermögens unter der NS-Diktatur standen 2007 im Vordergrund, so Direktor Neitmann. Das Brandenburgische Landeshauptarchiv verwahre mit dem Bestand des Oberfinanzpräsidenten von Berlin-Brandenburg die Akten einer Behörde, die im Zweiten Weltkrieg den zu Reichsfeinden erklärten und nach Osten deportierten Juden mittels einer „Vermögenserklärung“ ihre Habseligkeiten abzunehmen hatte. Archivarin Monika Nakath nennt einen Bestand von 179 Transportlisten und 42 000 Vermögenserklärungen. Verwahrt würden auch die Unterlagen aus dem Sammellager Potsdam, dem ehemaligen jüdischen Altersheim.
Das Landeshauptarchiv verwahrt auch seltene und zum Teil schön anzuschauende Urkunden. Eine ganz besondere schleppt Mario Glauert in einer 50 mal 70 Zentimeter großen Kassette heran. Glauert ist verantwortlich für die Bestandserhaltung. Seine stabile Kassette enthält das originale Wappendiplom der Stadt Vetschau aus dem Jahre 1548. Es wurde kunstvoll in Augsburg gefertigt. Bewohner eines Hauses am Vetschauer Marktplatz fanden es im Juli 2005 unter den Dielen des Dachbodens. Das Wappen zeigt ein gespaltenes Schild: auf der einen Hälfte ein blau-silbernes Schachbrettmuster und auf der anderen auf rotem Grund ein silberner Windhund.
Günter Schenke
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