Landeshauptstadt: Brandenburg ohne Folklore
Kurt Winkler über die Zukunft des Hauses der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte
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Herr Winkler, in Potsdam wurden Sie durch Ihr Gutachten bekannt, das wesentlich zur Wahl des Alten Rathauses als Standort für das Potsdam-Museum beigetragen hat. Damit konnte sich die starke Gruppe, die das Brockesche Palais favorisierte, nicht durchsetzen. Sind Sie deshalb nicht mit ein wenig Bammel nach Potsdam gekommen?
Keineswegs. Mein Gutachten bezog sich auf eine museumsfachliche Einschätzung unabhängig von politischen Interessenkonstellationen. Das Alte Rathaus hat eine ideale Lage im Herzen der Stadt, die durch den Bau des Landtags noch wichtiger werden wird. Durch den Verbund mit dem Potsdam-Forum erhöht sich die Ausstrahlungskraft des Museums. Das Gebäude ist ein hochwertiges Baudenkmal, das zudem eine interessante Wiederaufbauleistung der Nachkriegszeit darstellt. Zudem befindet es sich in städtischem Besitz.
Berliner und Potsdamer, heißt es, sind sich manchmal nicht grün. Weshalb haben Sie sich dennoch nach hochkarätigen Tätigkeiten in Berlin um die Chefstelle am HBPG beworben?
Einen grundlegenden Gegensatz zwischen Berlin und Potsdam zu konstruieren halte ich, schlicht gesagt, für Unsinn. Die Hauptstadt und ihr Umland haben sich als einheitliche Region entwickelt, davon muss auch jede Darstellung ihrer Geschichte ausgehen. Schon während meiner Arbeit für das Märkischen Museum habe ich eine Berliner Nabelschau abgelehnt, im wissenschaftlichen Beirat des HBPG mitgearbeitet und Leihgaben für dessen Ausstellungen zur Verfügung gestellt.
Was wollen Sie als Direktor des HBPG anders machen als Ihr Vorgänger Gert Streidt?
Es geht nicht darum, was man anders macht, sondern welche Potenziale an einem solchen Haus bestehen und in welche Richtung sie weiter entwickelt werden können. Mit einem bewährten und engagierten Team hat Streidt jährlich 50 000 Besucher ins Haus geholt. Das schaffen in Deutschland nur zehn Prozent der gleichgearteten Einrichtungen. Das HBPG hat sich in den fünf Jahren seines Bestehens einen guten Ruf erworben. Dies bedeutet aber auch, dass es seine Kinderzeit hinter sich hat. Ich möchte seine Schaufensterfunktion für das Land weiter stärken und es als Forum für noch mehr Partner öffnen – von den Archäologen, die zurzeit auf dem Platz des Stadtschlosses graben, über das Potsdam-Museum, die Schlösserstiftung, Vereine wie Kulturland Brandenburg oder die Studiengemeinschaft Sanssouci bis zu den zeitgeschichtlichen Forschungsinstituten, die hier am Neuen Markt unsere Nachbarn sind. Wir bieten uns mit moderner Infrastruktur als Ort für Kongresse, Sonderausstellungen und Diskussionen an und schließen darin populäre Formen des Gedankenaustauschs ein, wie beispielsweise die jährliche Geschichtsbörse.
Worin werden Schwerpunkte liegen?
Einen Schwerpunkt sehe ich in den oft unterschätzten, vornehmlich ehrenamtlich betriebenen Forschungen zur Regional- und Ortsgeschichte, die an den Wohnort, die Lebenserfahrungen und auch die Neugierde der Bewohner anknüpfen. Vor allem liegt mir daran, Themen der Zeitgeschichte stärker zu akzentuieren und historische Fragestellungen aus den Problemen von heute zu entwickeln, von Fragen der Ökologie über Migration bis hin zum europäischen Zusammenhang Brandenburgs und Preußens. Hier muss das HBPG seinen Anspruch als Institut der Landesgeschichte im nationalen und internationalen Kontext selbstbewusst und aktiv artikulieren. Es darf sich nicht zu sehr auf lokale Themen einschnüren, zumal mit dem Potsdam-Museum eine eigene Einrichtung für die Stadtgeschichte besteht.
Wird das angesichts des verbreiteten Desinteresses an der Geschichte nicht eine schwierige Aufgabe?
Ich sehe kein nachlassendes Interesse an Geschichte, eher einen Zuwachs – denken Sie nur an Fernsehserien wie die populäre Reihe „Wir Deutschen“. Mit einem lebendigen Programm, das über Ausstellungen hinaus unter anderem populäre Vorträge zur Landes- und Stadtgeschichte oder Märkte bietet, holen wir auch Leute ins Haus, die sonst nicht zu uns kommen würden. Damit können wir nicht zuletzt auch unsere Eigeneinnahmen weiter steigern, was bei der besonderen Situation des HBPG als gemeinnützige GmbH nicht unterschätzt werden darf.
Diese Bemerkung weist auf die Finanzierung des Hauses hin, die wie für alle anderen ähnlich gearteten Einrichtungen keineswegs üppig sein dürfte
Vorweg gesagt: Wir freuen uns sehr darüber, dass sich die Landesregierung und die Stadt Potsdam uneingeschränkt zu unserem Haus und dessen Fortbestand bekennen. Dieses Bekenntnis kommt durch eine Sockelfinanzierung zum Ausdruck, die freilich nur die Grundkosten deckt und die „Anfinanzierung“ von Projekten erlaubt. Dass dies dem Anspruch eines großen Landesausstellungsforums nicht auf Dauer genügen kann, darüber besteht durchaus Einvernehmen. Es versteht sich aber auch, dass Kultureinrichtungen in Zeiten knapper Kassen ihre Entwicklungsperspektiven durch erfolgreiche Arbeit begründen und eröffnen müssen und nicht einfach Mehrbedarf anmelden können. Zurzeit müssen wir für unsere Ausstellungsprojekte jeweils Förderanträge stellen und individuelle Finanzierungen erschließen. Die ist zwar per se keineswegs negativ zu werten, da es zu aktiver Kooperation zwingt und zur dauernden Überprüfung des öffentlichen Interesses, erschwert aber eine längerfristige Planung. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist ja die anspruchsvolle Darstellung der brandenburgischen Landesgeschichte in Ausstellungen, die in der Regel nicht soviel einbringen können wie Wandershows über das Aussterben der Dinosaurier.
Werden Sie für höhere finanzielle Erlöse den Besuchern also künftig mehr populäre Ausstellungen bieten, beispielsweise folkloristisch angehauchte wie in Bayern?
Ich habe nichts gegen Folklore und schon gar nichts gegen Bayern – schließlich stamme ich selbst aus Franken Und ich weiß, welch kritisches Potenzial sich gerade in Bayern hinter der scheinbaren Folklore verbirgt. Was Brandenburg von Bayern, Thüringen oder Sachsen unterscheidet, ist aber die Tatsache, dass hier keine so selbstverständliche historisch- kulturelle Identität ausgebildet ist. Unsere Landesgeschichte ist über Jahrhunderte von der Preußens überlagert und in gewisser Weise in den Hintergrund gedrängt worden. Nach der Zerschlagung durch die Nazis und seiner Auflösung durch die Alliierten, dann der Gründung der DDR, war Preußen und damit Brandenburg jahrzehntelang kein Thema mehr. Dies bringt uns aber jetzt in die günstige Lage, unter Verzicht auf Folklore im oberflächlichen Sinn landesgeschichtliche Themen in ihren Brüchen und Widersprüchlichkeiten mit Bezug zur Gegenwart zeigen zu können – eine spannende Angelegenheit!
Wie soll sich das in den nächsten Jahren im Programm niederschlagen?
Im von Kulturland Brandenburg ausgerufenen Jahr der Demokratie zeigen wir 2009 eine Ausstellung über Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg, der im Kontext der preußischen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts führend zum Übergang in einen modernen Verfassungsstaat beigetragen hat. Auf ihn geht beispielsweise die kommunale Selbstverwaltung zurück. Unser gemeinsam mit der Schlösserstiftung aufgelegtes Schülerprogramm „Ein Tag in Potsdam“ wird um ein Modul zur DDR-Geschichte erweitert. Weitere Projekte, etwa zum Friedrich-Jubiläum 2012, sind in der Diskussion, ich möchte aber über ungelegte Eier noch nicht gackern.
Zum Schluss noch ein Wort von Ihnen zum Neuen Markt und zum Kutschstallhof, die trotz aller Ankündigungen nach wie vor am Rande der Touristenströme liegen
Ein Konzept zur Belebung dieser Orte im Herzen Potsdams ist zunächst Sache der Stadtplanung und der Tourismuswirtschaft. Was wir mit dem HBPG aktiv dazu beitragen können, wollen und werden wir tun. Ich gehe davon aus, dass die Wiederherstellung des Alten Marktes, der Landtagsbau und der Einzug des Potsdam-Museums ins Alte Rathaus die historische Mitte Potsdams einschließlich des Neuen Marktes in den Blickpunkt auch der Touristen rücken wird. Attraktive Ausstellungen und Veranstaltungen können diese Tendenz verstärken, aber allein nicht die Gravitationskraft entfalten, die Topografie des städtischen Lebens neu zu erfinden.
Die Fragen stellte Erhart Hohenstein
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