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DIE REZEPTE: Bratwurst für den König

Die Lieblingsspeise Friedrich Wilhelms I. ist auch heute noch ein Genuss. Historische Rezepte im Test

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DIE REZEPTEDie Lieblingsspeise Friedrich Wilhelms I. ist auch heute noch ein Genuss. Historische Rezepte im Test Von Marion Hartig Sie klingen exotisch, die Rezepte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die mir die Frau aus dem Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte in die Hand drückt. Zitronenkuchen mit Mandeln, der im 17. Jahrhundert mit Früchten aus Orangerien gebacken wurde. Bratwurst mit Zuckerbirnen, eine der Lieblingsspeisen des Soldatenkönigs. Die im 15. Jahrhundert als „Essblumen“ bezeichneten Artischocken in Court Bouillon gekocht. Nur den Zitronenkuchen habe eine Kollegin schon ausprobiert, erzählt die Museumsfrau. Aber es dürfte nicht schwer sein, die Zutaten zu bekommen. Erst als ich mir die Liste später genauer ansehe, fange ich an, zu zweifeln. Dann stehe ich in der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarktes, packe Birnen, Zitronen und Schnittlauch in den Einkaufswagen. Dicke grüne Bohnen? Die Verkäuferin schüttelt den Kopf. Artischocken? Nur in der Dose. Borretsch? Was ist das? Nicht einmal Thymian steht zwischen den Kräutertöpfen. Ich ziehe weiter zur Fleischtheke, noch nicht wirklich frustriert. Das kommt erst später, als ich alle Gemüsehändler der Potsdamer Innenstadt abklappere. Lorbeer zu finden ist schon nicht einfach, aber frische Artischocken scheint schier unmöglich. Erst auf dem Heimweg, als ich eigentlich schon aufgegeben habe, finde ich die grünen Stiele mit der runden Frucht in den Regalen von Kaufhof am Alexanderplatz. Mit dem Zitronenkuchen fange ich an. In die Rezeptecke moderner Frauenzeitschriften würde es das historische Süß mit der vielen Butter und den Mandeln sicher nicht schaffen. Mehl sieben, Mulde in den Teig, mit gut gekühlter Butter bestreuen. Normalerweise mache ich die Butter eigentlich warm, damit sie sich besser mischt, aber bitte. Der Teig wird geschmeidig, wie es im Rezept steht. Die Füllung ist lecker. Alles klappt. Nur dass die Gäste dann eine halbe Stunde später im beißenden Rauch stehen, ist ungeplant. Dabei hat sich nur ein beim Putzen übersehener, angebrannter Fleck im Ofen erhitzt. Mit dem Kuchen ist alles in Ordnung. Dann ist die „Court Bouillon“ dran, der Sud in dem die Artischocken weich gekocht werden aus Petersilie, Thymian, Olivenöl, Sellerie, Lorbeer und Minze. Das Gemüse liegt regungslos auf dem Tisch und scheint hämisch zu grinsen, als wir überlegen, ob es ganz oder ohne Stiel in den Kochtopf soll. Ich rufe meine Mutter an, sie weiß in solchen Situationen immer Rat. Der Anrufbeantworter geht an. Wir entscheiden uns für ganz. Und widmen uns dem „Püree aus dicken, grünen Bohnen“. „Auspalen“ wie es im Rezept steht, ist leider vor dem Kochen nicht mehr drin. Das dauert zu lange. Wir haben Hunger, es ist mittlerweile schon ziemlich spät. Und der Pürierstab macht den Mix aus Bohnen, Schnittlauch, Balsamico-Essig und einem Schuss Sahne auch ohne Auspalen fein. Wir schmecken ab. Nicht übel. Die Butter in der Pfanne beginnt zu schmelzen, wir legen die Würstchen hinein. Der Vielesser Friedrich Wilhelm I. hat sich offensichtlich nicht um Kalorien geschert, sonst hätte er nicht guten Gewissens noch gewürfelten Speck zu dem Fleisch gegeben. Dazu Korinthen, gezuckerte Birnen, Wein, Zitrone. Zwei von uns sind eigentlich keine großen Würstchenfans, aber wir finden, dass es plötzlich ziemlich gut riecht. Wir legen Musik auf, Lenny Krevitz, tragen die Teller mit dem Essen ins Wohnzimmer – und warten: Erst noch fotografieren. Das dauert. Knipsen, umstellen, noch einmal knipsen. Dann kann es endlich losgehen. Wir stoßen mit einem trockenen Valpolicella an. Doch dann beginnt die Sache mit der Artischocke, erst nach langem Blätterabziehen gibt sie ihr vermeintlich kulinarisches Inneres frei. Eine platte, bräunliche Frucht, die mit ihren Haarbüscheln oben drauf kaum nach Genuss aussieht. Vorsichtig schneiden wir ein Stück ab, tunken es in das Püree. Genug davon. Die Bratwurst aber schmeckt geradezu königlich. Nach einer Pause kochen wir Kaffee und probieren vom Zitronenkuchen. Ziemlich schwer, aber lecker, sind wir Tester uns einig. Nur jeden Tag königlich zu essen, darauf hätten wir wenig Lust. Schließlich soll Friedrich Wilhelm I. ziemlich dick gewesen sein. Und Wassersucht hatte er auch. Ich nehme mir fest vor, morgen joggen zu gehen. Besucher der Ausstellung „Schön und nützlich“ im Kutschstall können sich Rezepte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert mitnehmen. Auf bunten Handzetteln wird beschrieben, wie man Artischocken (Foto oben) in Court Bouillon gart, wie man Bratwurst (M.) mit Zuckerbirne kocht und historischen Zitronenkuchen (u.) backt. Die Rezepte stammen aus alten Schriften, die im Original in der Ausstellung zu sehen sind. Dazu gehören das „Hausvaterbuch“ von 1598 und das „Neue Tischbuch“ von 1682.Maha

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