Von Anna Martinsohn: „Brav und artig“ hat ausgedient
Unter dem Motto „Rettet das Weihnachtslied“ soll das Liedersingen im Familienkreis wieder stattfinden
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Berlin - „Oh Tannenbaum“ ist ein Blues-Song. Zumindest macht ihn der blau gekleidete Weihnachtsmann auf der Bühne des Berliner Meistersaals dazu. Die schwere Stiefelspitze wippt, die Gitarre plärrt und rund 170 weißbärtige Kollegen und einige leicht bekleidete Engel nicken mit ihren Kapuzen und Flügeln im Takt. Mit dem diesjährigen Motto „Rettet das Weihnachtslied“ wollen die studentischen Weihnachtsmänner das Liedersingen im Familienkreis wieder anregen. Bei ihrer Vollversammlung im traditionsreichen Meistersaal stimmten sie sich schon mal ein.
„Das ist der passende Ort dafür“, findet Oberweihnachtsmann Stephan Antczack. Er verweist auf Künstler wie David Bowie, U2 und Depeche Mode, die hier ihre Lieder aufgenommen haben. Auf seinen Bescherungsbesuchen in Berliner Familien hört Antczack immer wieder: „Singen lieber nicht, das können wir nicht“.
Katharina Hoffmann und Slava Martyanov gehören zu den Studenten, die für das Studentenwerk als Engel und Weihnachtsmann verkleidet Kinder bescheren wollen. Die beiden sind Spätaussiedler aus Russland, studieren in Berlin und haben sich für den Job entschieden, weil sie die deutsche Weihnachtskultur kennenlernen wollen. „Bei uns kommt Väterchen Frost mit seiner Enkelin und bringt Geschenke an Silvester“, sagt Katharina Hoffmann. Ihr Freund studiert derweil den Liedtext zu „Kling, Glöckchen, Klingelingeling“. Sie freuen sich darauf, an Heilig Abend in vielen Familien zu bescheren.
Weil die meisten studentischen Weihnachtsmänner und Engel noch nicht wissen, was sie erwartet, spielen die erfahrenen Kollegen auf der Bühne einige mögliche Szenen vor. Es sind harte Szenen, weil in nicht allen Familien der Abend heilig ist: der Vater betrunken, die Mutter rauchend, das Kind weinend. Auch darauf müssen sich die Miet-Weihnachtsmänner einstellen.
„Wir müssen uns nicht daran beteiligen, die Kinder runterzudrücken“, sagt Antczack. Wichtig sei es, dass die Weihnachtsmänner in erster Linie für die Kinder da seien, mitspielen und ihnen gute Gefühle machten. Auch „brav und artig“ habe ausgedient. „Kinder werden nicht besonders lebensfähig, wenn sie «brav und artig« sind.“ Um die Studenten vorzubereiten, hat die Organisation den Kindernotdienst und den Verein Nacoa eingeladen, der sich um Kinder in Suchtfamilien kümmert. Sie erklären, wie man Problemfälle erkennt.
„Kinder sind sensibel. Sie merken, dass die Stimmung kippt, wenn die Eltern zu viel Alkohol getrunken haben“, sagt Henning Mielke von Nacoa. Nach Angaben der Organisation lebt fast jedes sechste Kind mit Eltern, die ein Suchtproblem haben.
Familien können Weihnachtsmänner und Engel täglich zwischen 9.00 - 19.00 Uhr unter der Nummer: 030-84312222 für Heilig Abend bestellen.
Firmen und Einrichtungen können Weihnachtsmänner und Engel zwischen 9.00 - 19.00 Uhr unter der Nummer: 030-84312244 für ihre Weihnachtsfeiern in der Vorweihnachtszeit bestellen.
www.berliner-weihnachtsmann.de
Anna Martinsohn
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