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Blick auf den Dom in Brandenburg an der Havel.

© STG Brandenburg

Von Cornelia Höhling: Bülow, Bismarck, Bollmann, Brennabor

Brandenburg an der Havel ist das Tor zum größten Binnenwassersportreservoir Europas

Stand:

Brandenburg/Havel - Vicco von Bülow, Otto von Bismarck, Fritze Bollmann, Brennabor. Alle diese Namen haben etwas gemeinsam: Sie führen zur „Stadt im Fluss“, nach Brandenburg an der Havel, dessen Stadtgebiet zu einem Fünftel aus Wasserflächen besteht.

Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, wurde 1923 hier geboren und später Ehrenbürger. An Otto von Bismarck erinnert das Lokal „Bismarck Terrassen“ am Fuße des rund 70 Meter hohen Marienberges. Der spätere Reichskanzler habe in Brandenburg um 1850 einen erfolglosen Wahlkampf um das Bürgermeisteramt geführt, weiß Günter Weber. Als Inhaber des preußischen Traditionsrestaurants pflegt er Bismarcks Andenken mit Erlebnisgastronomie. Die grüne, idyllisch inmitten zahlreicher Havelarme gelegene Stadt hat eine über 1000-jährige Geschichte. Und Weber kennt die Geschichten dazu.

Bis zu ihrer Sprengung bei einer Nacht- und Nebelaktion 1974 stand die Bismarckwarte auf der Anhöhe, die schon den Slawen als heiliger Ort galt, verrät er. Jetzt ermöglicht die „Friedenswarte“, ein 32,50 Meter hoher Aussichtsturm, einen fantastischen Blick in die herrliche märkische Landschaft, wo noch Störche, Kraniche, Adler, Graureiher, Eisvögel und Biber zu Hause sind. Sieben Naturschutzgebiete treffen hier zusammen. Und nicht erst beim Bismarck-Korn kommt Weber ins Erzählen. Der „Eiserne Kanzler“ sei mit dem Gefängniswärter verwandt gewesen. Über drei Generationen sollen Bismarcks die Aufsicht des Gefängnisses innegehabt haben, das 1929 zum modernsten Europas umgebaut wurde.

Dass Brandenburg das Tor zu Europas größtem zusammenhängenden Binnenwassersportreservoir ist, überrascht fast noch mehr. Aber der Blick auf die Karte zeigt es: Im westlichen Stadtgebiet erweitert sich die Havel zu einer 15 Quadratkilometer großen Seenplatte aus fünf Seen. Östlich der Innenstadt, die aus drei mittelalterlichen Stadtkernen besteht, bildet die Obere Havel mit zahlreichen Seitenarmen und Inseln eine unberührt wirkende Auenlandschaft. Und im Norden ragt der lang gestreckte Beetzsee weit ins Havelland hinein. Die Beetzseekette gilt als eine der schönsten Naturregattastrecken der Welt. Kein Wunder, dass hier der Wassersport zu Hause ist und im Juni dieses Jahres die Europameisterschaften im Kanurennsport ausgetragen werden.

Mit dem Beetzsee verbindet sich auch die Legende von Fritze Bollmann. Als dieser „uff''m Beetzsee“ angeln wollte, „fiel die Angel rin“ und Bollmann „hinterdrin“. So zumindest erzählt es das zum Gassenhauer gewordene Lied, mit dessen acht Strophen der Barbier aus Brandenburg schon zu Lebzeiten verspottet wurde. Sein „Äppelkahn“ steht in Stein gehauen als Brunnendenkmal in der Hauptstraße. Dort, wo er auf dem Brunnenrand sitzt und seiner angeblich tödlichen Lieblingsbeschäftigung nachgeht, beginnen die Stadtschnuppertouren.

Dabei ist Bollmann zwar in den Beetzsee gefallen, aber nicht darin „ersoffen“, wie das Lied weismachen will. Der fleißige kleine Mann mit Spitzbart, der seine elf Kinder nicht satt bekam und deshalb dem Alkohol verfiel, verstarb 1901 mit nur 49 Jahren an Zungenkrebs. Das liebenswerte Brandenburger Original bleibt beim Rundgang durch Alt- und Neustadt bis hin zur Dominsel, dem ältesten Siedlungskern der Stadt, allgegenwärtig. Hier entstand 948 das erste Bistum östlich der Elbe.

Brandenburg ist die Wiege der 1157 vom askanischen Markgrafen Albrecht dem Bären gegründeten gleichnamigen Mark und damit Kernland des späteren Preußens und zugleich älteste Stadt des heutigen Bundeslandes Brandenburg.

Westlich der Dominsel mit dem 800 Jahre alten Dom, einer dreischiffigen Pfeiler-Basilika aus Backstein, und der gotischen Petrikapelle liegt die Altstadt und südlich die Neustadt. Beide wurden im 12. Jahrhundert gegründet und 1715 vereinigt. Zwischen ihnen verläuft die Jahrtausendbrücke, wo heute die Rundfahrten der Fahrgastschiffe starten. Wie eine Lebensader verbindet die Havel die drei Inselstädte und schließt sie an die großen Schifffahrtswege Elbe und Oder an. Mit seinen Nebenarmen, Gräben und Kanälen schlängelt sich der Fluss an über 400 historischen Baudenkmälern vorbei.

Der Roland vor dem Altstädter Rathaus belegt, dass Brandenburg vom 13. bis 15. Jahrhundert Hansestadt war. Aufmerksamen Berlinbesuchern wird das Sandsteindenkmal von stolzen 5,34 Metern bekannt vorkommen. Weber erklärt das Déja-vu-Erlebnis: „In Berlin vor dem Märkischen Museum steht eine Kopie. Unser Roland wurde schon 1474 erschaffen.“ Der preußische Soldatenkönig habe ihn versetzen lassen, weil er mehr Platz zum Exerzieren der „Langen Kerls“ brauchte.

Über Brennabor informiert eine Ausstellung im Industriemuseum. Die 1871 gegründete Firma baute Kinderwagen, dann Fahrräder und schließlich den Rover und Motorräder in Serie. Mitte der 1920er Jahre war Brennabor größter Autohersteller Deutschlands. Besucher erfahren dort auch Interessantes über die 100-jährige Stahlgeschichte der Stadt und können, ausgerüstet mit Schutzhelm und Arbeitskittel, den letzten Siemens-Martin-Ofen Westeuropas besichtigen.

Cornelia Höhling

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