zum Hauptinhalt
Schöner unterrichten. Im Babelsberger Sprachenzentrum hängen jetzt Bilder von Christiane Karl. Inhaber Mitch Lee freut sich, dass die Wände nicht mehr so leer sind.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Buntes für zwei Amerikaner

Seit 23 Jahren gibt es das Sprachenzentrum in Babelsberg, gegründet von zwei Lehrern aus Kalifornien. Ab sofort sollen hier auch Künstler ihre Werke ausstellen

Stand:

Der Pan ist gerade fertig geworden, noch in der Nacht hat Christiane Karl an ihrem Lieblingsbild gearbeitet. Jetzt schaut die Malerin eindrücklich auf das Gesicht des Hirtengottes, als jungen Mann mit kantigen Gesichtszügen gemalt, und sagt fasziniert: „Ich liebe diese Szene – wie er seinen Kopf dem Herbstwind entgegenstreckt und die letzte Sommerwärme genießt.“

Jetzt hängt der Pan als eines von 18 Bildern in den Räumen des Sprachenzentrums in Alt Nowawes. Seit 23 Jahren gibt es die private Schule, in diesem Sommer entschieden die Inhaber Louis Vanson und Mitch Lee, ihre Unterrichtsräume auch für Künstler zu öffnen. Die erste Ausstellung mit Werken des Airbrushkünstlers Mücke 32 sei sehr gut bei ihren Klienten und Schülern angekommen, sagt Mitch Lee. Nun geht es nahtlos weiter mit Christiane Karl, eine ehemalige Schülerin am Sprachenzentrum.

Für die Babelsbergerin ist es die erste Gelegenheit, ihre Arbeiten öffentlich zu zeigen. Vor sechs Jahren begann sie während einer längeren Erkrankung intensiver zu malen, zunächst nur für sich selbst, dann für Freunde. Über zwei Jahre besuchte sie einen Malkurs. „Da probierte ich zum ersten Mal größere Formate, ich entdeckte, dass das gut zu mir passt, das war sehr befreiend.“ Karl ist eine schnelle Malerin, wenn sich ein Motiv in ihren Kopf einnistet, muss sie es gleich auf die Leinwand bringen, mit Acryl, Pastell oder Öl. Meist entscheidet sie sich für das schnell trocknende Acryl und arbeitet auch mal eine Nacht durch.

Dabei bleibt sie gegenständlich – mal mit einem Augenzwinkern, mit feiner Ironie oder witzigen Details. Ihre Lieblingstiere, Raben, sind gleich mehrfach zu sehen, auf einem anderen Bild schaut den Betrachter eine Kuh an, ihr Kopf vergrößert wie durch ein Weitwinkelobjektiv. Karl porträtiert auch Freunde, gern auch spontan wie beim Sommerfrühstück auf dem Balkon. „Da passte alles, tolles Wetter, tolles Essen, uns ging es gut. Das wollte ich festhalten“, sagt sie.

Jetzt bringen die Bilder Farbe in die Unterrichtsräume. Dort wird bereits seit 23 Jahren vor allem Englisch unterrichtet. Als Mitch Lee und Luis Vanson im Frühjahr 1990 ihre Heimat Kalifornien verließen, hatten sie zunächst nur vage Pläne. Irgendwo in Europa wollten sie eine Sprachschule eröffnen. Dann bekamen sie eine Empfehlung von einem Freund, sich Potsdam anzusehen. Das taten sie und blieben – denn der Bedarf an Englischlehrern war nach der Wende enorm. „Es hieß, wir wären die ersten Muttersprachler-Englischlehrer im ganzen Land Brandenburg, als wir uns als Lehrer bei der Volkshochschule meldeten“, erinnert sich Mitch Lee. Sie blieben nicht lange dort, sondern arbeiteten bald nur noch selbstständig

„Ich glaube, ganz Potsdam hat bei uns Englisch gelernt“, sagt Mitch Lee, diplomierter Wirtschaftswissenschaftler, als er die Liste der Klienten aufzählt: die komplette Belegschaft des Potsdamer Datenverarbeitungszentrums, Wissenschaftler des Instituts für Ernährungsforschung in Rehbrücke, Mitarbeiter von Filmpark, Grundy Ufa, Schlösserstiftung und von Software- und Telekommunikationsfirmen. Auch Anwälte, Künstler und Schauspieler kamen, viele, die in der DDR kein Englisch gelernt hatten und es jetzt nach der Wende brauchten. Die Lehrer stellten sich auf deren Bedürfnisse ein, unterrichteten technisches oder kaufmännisches Englisch und brauchten bald Honorarkräfte zur Unterstützung. Mit manchen Kursen kochten sie gemeinsam, bis heute gibt es Kino-Abende, an denen sie mit Schülern englischsprachige Filme im Thalia anschauen. Und im November wird Thanksgiving gefeiert.

Die Amerikaner waren fasziniert von ihrer neuen Heimat. Das Miteinander in dem damals unsanierten Altbau fanden sie großartig. Nachbarn zeigten ihnen, wie man Kohleöfen heizt, luden sie zu Hinterhofpartys ein. „Wir mussten uns damals noch in das Hausbuch eintragen“, sagt Lee amüsiert. Sie kauften sich einen Trabant und lernten, mit der Gangschaltung umzugehen. Schüler wurden zu Freunden und erzählten Geschichten über Stasikontakte und Knastaufenthalte: „Wir hatten als Außenstehende aus Amerika einen Vertrauensbonus und kamen nicht so belehrend daher wie manch Westdeutscher“, sagt Lee. Aus Amerika vermissen sie zwar das sonnige Klima, den Pazifik und frische Meeresfrüchte – aber trotz dieser kleinen Missstände blieben sie. „Wir unterrichten jetzt die Kinder unser ersten Schüler“, sagt Mitch erstaunt.

Die Bilder können am 16., 23. und 30. November von 14 bis 16 Uhr besichtigt werden im Sprachenzentrum „American Language Consultants“, Alt Nowawes 57

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })