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Von Günter Schenke: Cha Gio und Pho Bo

Vietnamesen feiern 20-jähriges Jubiläum in Potsdam

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Am Schlaatz - Fernöstlicher Küchenduft durchzog am Samstag das Bürgerhaus am Schlaatz: Die Vietnamesen aus Potsdam und Umgebung feierten ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Doch bevor es die Frühlingsrolle Cha Gio und die berühmte vietnamesische Nudelsuppe Pho Bo zu essen gab, mussten sich die zirka 150 Gäste, überwiegend vietnamesische Familien mit großen und kleinen Kindern, die Festreden anhören. Hai Bluhm, Vorsitzende des Vereins „Son Hong“, was soviel heißt wie „Roter Fluss“, hatte reichlich zu tun, um die Redebeiträge nach Bedarf in die jeweiligen Sprache zu übersetzen.

Karin Weiss, Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, verwies auf die „viel längere Geschichte“ der Vietnamesen in Deutschland, sprich in der DDR. Jetzt lebe schon die zweite und dritte Generation der ehemaligen Vertragsarbeiter hier, sagt die Professorin. Die Jungen sprächen zwar noch Vietnamesisch, könnten aber nicht mehr in der Muttersprache lesen und schreiben. Und der ehemalige Vertragsarbeiter Nauyen Quoc Hung erzählt, dass die vietnamesischen Kinder deutsche Schulen besuchen, 70 Prozent von ihnen auf das Gymnasium gehen und Spitzenplätze bei Mathematik-Olympiaden belegen. „Wir haben nach den Veränderungen 1990 nicht nur Arbeit gefunden, sondern schaffen auch Arbeitsplätze“, sagt er selbstbewusst.

Zum Gruppenfoto stellen sich am Ende des offiziellen Teils des Jubiläumsfestes über vierzig Männer auf, unter ihnen der letzte Vietnamesen-Betreuer des Bau- und Montagekombinats (BMK) Ost, bei dem ein großer Teil beschäftigt war.

Magdolna Grasnick, Ausländerbeauftragte in Potsdam, kann sich noch gut an ihren Besuch im Wohnheim in der Pirschheide im Jahre 1990 erinnern. „Das war ein Schock“, sagt sie. 215 Euro sollte jeder Vertragsarbeiter für die Unterkunft bezahlen. Bei den Vietnamesen saß der Schock noch viel tiefer. „In der DDR waren die vietnamesischen Vertragsarbeiter straff organisiert und auf einmal war alles weg“, berichtet einer der Damaligen.

Es gleicht daher einem kleinen Wunder, dass heute vierhundert Vietnamesen in Potsdam leben, im Jahr 1991 waren es laut Grasnick 31 und 1993 schon zweihundert. Viele kamen aus Russland, Tschechien und Polen und auch aus der alten Heimat Vietnam. Die Geschichte der Vietnamesen in Deutschland nach der Wende ist eine Erfolgsstory. Zur Feier des Tages erschienen die Mädchen und Frauen in farbenfrohen, geblümten und gemusterten Gewändern, die Männer in dunklen oder auch weißen Anzügen und die Jungen hatten ihre Haare expressiv gestylt.

„Bleiben oder zurückgehen?“ – diese Frage hatten die vietnamesischen Vertragsarbeiter nach den politischen Veränderungen in Deutschland 1990 zu entscheiden. 3000 Deutsche Mark erhielt jeder, der freiwillig zurückging. Sowohl für die Rückkehrer als auch für die Hiergebliebenen war der weitere Weg steinig und hart. „Wohnen, Arbeiten und Aufenthaltsstatus“ waren laut Hung anfangs die Hauptsorgen. Nur geduldet und mit einem Reisegewerbeschein in der Tasche, mussten sich die meisten durchschlagen. Mit „Geduld, Ausdauer und Engagement“ hätten sie es laut Hung geschafft, sich in Deutschland eine neue Existenz zu schaffen. „Deutschland und Potsdam sind unsere zweite Heimat“, sagt er.

Günter Schenke

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