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Landeshauptstadt: Currywurst und Cassata

In Potsdamer Hotels lernen europäische Azubis die deutsche Gastronomie kennen / Was sie an der Stadt mögen: Die Natur – und die Mädchen

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Potsdam ist wie Frankreich. Jedenfalls meint das einer, der es wissen muss: Cedric Cucherousset kommt aus Montbéliard und fühlt sich in der Landeshauptstadt wie zu Hause. „Ich schaue mich um, rieche die Luft und denke, ich bin in Frankreich“, sagt der 19-Jährige auf Englisch. Mit dem Deutsch hapert es noch ein bisschen.

Cedric ist einer von acht jungen Leuten aus Frankreich, Italien, Polen und Bulgarien, die seit März Praktika in verschiedenen Potsdamer Hotels und Restaurants machen. Sie durchlaufen die „Europäische Gastronomische Schule“, eine einjährige Ausbildung zusätzlich zu ihrer bereits abgeschlossenen gastronomischen Lehre. In elf Monaten absolvieren die Azubis in jedem der teilnehmenden Länder ein Praktikum.

Angeboten wird das Programm vom Lycée des Métiers François Mitterrand, einer Partnerschule des Potsdamer Oberstufenzentrums (OSZ) Johanna Just. Dorothea Wollenberg, Französisch- und Deutschlehrerin am OSZ, koordiniert das Projekt in Potsdam inzwischen im sechsten Jahr. Auch drei ihrer ehemaligen Schüler nehmen teil. „Die jungen Leute lernen die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern kennen“, sagt Wollenberg. „Das bereitet sie auf den europäischen Arbeitsmarkt vor – auch wenn die Umstellung vielleicht nicht immer angenehm ist.“

Vor ihren zwei Monaten in Potsdam arbeiteten die acht Azubis – zwei Italiener, drei Bulgaren, ein Franzose und ein Pole – bereits in Frankreich und Spanien. Potsdam sei ihm bis jetzt die liebste Station, meint Karol Sawko-Limar. Der 21-jährige Pole aus Bialystok hospitiert in der Gasthausbrauerei Meierei im Neuen Garten. „In Potsdam habe ich alles, was ich will: Wald, Wasser und hübsche Mädchen“, sagt er und lacht.

Auch Yoanna Ninova aus Bulgarien hat es gefallen in der Landeshauptstadt, so gut, dass sie wiederkommen will. „Die Monumente“, zählt sie auf, „die Schlösser, die Parks – wunderschön. Das war nicht wie Arbeit, eher wie Ferien.“ Dabei war Yoanna fleißiger als mancher deutscher Lehrling, erzählt Ingeborg Goldinger, Direktorin des BestWestern Parkhotels. „Fleißig, ehrgeizig und wissbegierig.“ Das BestWestern nimmt seit sechs Jahren Praktikanten auf. „Wir machen das sehr, sehr gerne“, sagt Goldinger. „Da lernen nicht nur die Praktikanten was, sondern auch unsere eigenen Mitarbeiter.“ Wie auch die Köche im Hotel Voltaire, denen der Italiener Riccardo Carristo demonstrierte, wie eine original sizilianische Cassata auszusehen hat. Um der besseren Kommunikation willen kämen die Mitarbeiter dort sogar mit Wörterbuch zur Arbeit, erzählt Dorothea Wollenberg.

Sie ist sehr zufrieden mit den Rückmeldungen der Betriebe. „Die sagen unisono: Die Praktikanten sind eine Bereicherung“, berichtet sie. Karol schmort Eisbein und Schweineröllchen inzwischen so professionell, dass die Meierei ihm anbieten will, in der nächsten Saison wiederzukommen. „Ein sehr guter Mann“, urteilt Inhaber Jürgen Solkowski. Auch wenn Karols Deutsch natürlich nicht fließend sei – schließlich lernen die jungen Gastronomen während ihrer Ausbildung vier Fremdsprachen. „Wir dürfen nicht nur bis zum eigenen Tellerrand schauen“, sagt Wollenberg, „sondern müssen junge Leute weitergehend fördern“. Internationalität gehöre zu einer modernen Berufsbildung dazu. Das Konzept scheint aufzugehen: Cedrics Lieblingsessen ist Currywurst. Zumindest für den Moment – Anfang nächster Woche geht es weiter nach Sizilien. Anne-Sophie Lang

Anne-Sophie Lang

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