Landeshauptstadt: Dankbarkeit statt Geld
Die 23-jährige Christiane Kuhnert engagiert sich ehrenamtlich bei der Flüchtlingsberatung Potsdam
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Eine Situation hat sich ihr eingebrannt, danach wusste Christiane Kuhnert wieder einmal, warum sie sich in der Potsdamer Flüchtlingsberatung ehrenamtlich engagiert. Eine Nigerianerin sei gekommen, eine Frau im mittleren Alter, mit so vielen Problemen, wie sie manche Menschen ein ganzes Leben nicht haben. „Sie hatte gerade einen schweren Ausbruch der Krankheit Aids überlebt – und das Sozialamt hatte ihr unter Berufung auf das Asylbewerberleistungsgesetz seit einem Jahr kein Geld mehr gezahlt“, erzählt die 23-Jährige. Es sind solche scheinbar hoffnungslosen Fälle, die in die Flüchtlingsberatung in die Schloßstraße kommen. Manchmal, so sagt Christiane, sei sie nach solchen Tagen „selbst voll fertig.“
Die Belohnung: Dankbarkeit. Denn ohne Christiane und die vielen anderen helfenden Ehrenamtler, so sagt Katrin Böhme, Leiterin der auch über Potsdams Stadtgrenzen hinaus tätigen Beratungsstelle, würde der Betrieb nur „sehr“ schwer funktionieren. Insgesamt helfen drei Leute dort regelmäßig aus, dazu kämen aber noch etliche mehr, die etwa ausländischen Kindern bei ihren Hausaufgaben helfen würden. „Es gibt viele zeitaufwändige Arbeiten, beispielsweise das gemeinsame Ausfüllen von Anträgen oder der Gang mit einem Ehrenamtler auf eine Behörde.“
Zwei Tage in der Woche hilft Christiane aus, mindestens 14 Stunden. Daneben studiert sie an der Fachhochschule Soziale Arbeit – eine Mischung aus Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Danach kennt sie sich mit der Sozialgesetzgebung und den Möglichkeiten aus, in Deutschland Hilfen zu beantragen – und damit, wie sie am besten mit verschiedenen Charakteren umgehen kann. „Hier in der Beratungsstelle kann ich viel für das Studium lernen.“ So sei sie in die Gespräche eingebunden, aber auch in die oft aufwändige Nachbearbeitung, wenn Ämter und Behörden angerufen werden müssen: „Bei manchen Fällen merke ich, dass niemand vorher Rat geben konnte oder helfen wollte.“
Früher allerdings, da kannte sie solche Sorgen nicht. Erst nach dem Abitur vor vier Jahren, bei einem Freiwilligencamp in Italien, habe sie sich erstmals mit dem Thema Flüchtlinge auseinandersetzen müssen: „Drei Flüchtlinge erzählten mir damals ihr Schicksal, einer war so alt wie ich – und es war erschreckend, wie anders sein Leben verlaufen war.“ Danach ging sie für ein Jahr nach Indien, dann stand der Studienwunsch fest, das Ehrenamt kam dazu. Wie denken eigentlich ihre Freunde darüber? Sie überlegt kurz: „Natürlich bin ich jetzt noch ein Stück privilegiert, weil ich Bafög-Unterstützung bekomme – viele andere Studenten müssen ja einfach normal arbeiten gehen, um sich über Wasser zu halten.“ Allerdings: Für eine ehrenamtliche Tätigkeit – auch in geringerem Umfang – sei immer Zeit, „wenn man nur will“. Und da erzählt sie von den vielen positiven Seiten, vor allem von den Erfolgen. So sei in ihren knapp anderthalb Jahren noch keiner der Menschen, die in ihrer Beratungsstelle Hilfe suchten, abgeschoben worden. Selbst der hoffnungslose Fall mit der AIDS-kranken Nigerianerin habe sich geklärt: Inzwischen sei der Krankheitsschub endgültig überstanden, eine feste Aufenthaltsgenehmigung wahrscheinlich und die Frau beziehe wieder Geld vom Amt. Christiane lächelt, als sie davon erzählt. Henri Kramer
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