Landeshauptstadt: „Das alles ist grotesk“
Eklat um die Brandschutz-Sanierung des Marstalls. Der Architekt, der das Filmmuseum in den 90ern modernisierte, wirft der Schlösserstiftung vor, das Haus zu verunstalten. Es droht ein Rechtsstreit
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Innenstadt - Zumindest der Streit ist dem Ort angemessen: filmreif. Die Protagonisten: ein bekannter Architekt und die Leitung der Schlösserstiftung. Ort des Geschehens: das Potsdamer Filmmuseum. Das wird seit Frühjahr von der Schlösserstiftung saniert und umgebaut. Nun tritt auf: der Architekt Georg Kohlmaier. Der 76-jährige Berliner war Anfang der 1990er-Jahre für die Innenmodernisierung des Marstalls, in dem das Museum untergebracht ist, verantwortlich. Kohlmaier hat in Potsdam unter anderem das Stadtwerke-Hauptquartier in der Steinstraße sowie in Berlin die Reichstagskuppel entworfen.
Kohlmaier wirft der Schlösserstiftung vor, das Gebäude am Landtagsschloss mit den aktuellen Umbaumaßnahmen an vielen Stellen zu verunstalten. „Die Potsdamer werden ihr Filmmuseum nicht wiedererkennen“, sagt Kohlmaier den PNN bei einem Rundgang auf der Baustelle. Zudem sei sein Urheberrecht verletzt worden, er droht mit dem Gang vor Gericht.
Die Stiftung hält dagegen und erhebt selbst Vorwürfe gegen den Architekten. Die Umbauten im Marstall seien längst überfällig gewesen, um im Zuge der damaligen Modernisierung entstandene Brandschutzmängel endlich zu beheben, sagt Ayhan Ayrilmaz, leitender Baukoordinator der Schlösserstiftung, den PNN: „Das Haus war deswegen akut von der Schließung bedroht – wir nehmen mit rund 2,2 Millionen Euro nun viel Geld in die Hand, um ein Gebäude betriebsfähig zu machen, das eigentlich schon immer hätte betriebsfähig sein müssen.“
Vor allem die künftige Gestaltung des Marstall-Foyers sorgt für Streit. Statt der dekorativen Glaswand, die früher die Filmausstellung transparent abgrenzte, steht da nun eine feste Wand aus Gipsbeton. „Das alles ist grotesk“, sagt Kohlmaier. Ebenso ärgert ihn, dass im hinteren Teil des Museums eine doppelte Spindeltreppe – „so etwas gibt es in Europa nur ganz selten zu sehen“ – zugemauert worden ist. Auch eine charakteristische ovale Öffnung in der Decke des Erdgeschosses, durch die Besucher des ersten Stockwerks von oben auf die Dauerausstellung blicken konnten, ist geschlossen worden. Ayrilmaz sagt, laut den Auflagen müsse diese Stelle so gesichert sein, dass Feuer 90 Minuten lang abgehalten werden kann. Die Maßnahmen seien nötig gewesen, um eine „unendliche Mängelliste“ der für Brandschutzfragen zuständigen Bauaufsicht abzuarbeiten. So hätten die ehemalige Öffnung in der Decke und auch die Spindeltreppe wie ein Brandbeschleuniger gewirkt – Besuchern im ersten Geschoss hätte so Gefahr für Leib und Leben gedroht, so Ayrilmaz. Kohlmaier dagegen sagte, speziell im Foyer des Baus werde die Brandgefahr überbewertet. „Das ist eine Architektur der Angst – ein unsägliches Kompositum aus Feuervorschriften und anderen Maßnahmen, die man alle hätte anders machen können.“ Ebenfalls hält er die Brandgefahr in dem Bau für überbewertet, weil dort aus seiner Sicht gar kein brennbares Material vorhanden sei. Dazu sagt Ayrilmaz: „Das müssen Sie mal Bürgern erklären, die bei Feuer raus wollen.“
Der Streit dauert schon einige Tage. Anlass war ein Besuch von Kohlmaier auf der im Frühjahr begonnenen Baustelle: „Ich dachte, ich bin im Irrenhaus, als ich die Veränderungen sah.“ Niemand aus der Stiftung habe ihn von den Arbeiten informiert. Öffentlich bekannt wurden die Sanierungspläne bereits im Juli vor einem Jahr. Ayrilmaz sagt: „Was hätte es gebracht, sich mit einem Planungsbüro zusammenzusetzen, mit dem es schon einmal nicht geklappt hat.“
Kohlmaier findet, ein Gespräch hätte eine ganze Menge gebracht. Zum Beispiel beim neuen Behinderten-Zugang. Dieser befindet sich jetzt auf der Rückseite des Marstalls, nach Angaben der Stiftung wurde dafür ein historisch vorhandener, aber später zugemauerter Eingang wieder geöffnet. Kohlmaier empfindet das als diskriminierend: „Die Rollstuhlfahrer werden so abgesondert.“ Er hätte dagegen eine dem Denkmalschutz entsprechende elektronisch ausfahrbare Rampe am Haupteingang vorgeschlagen, ähnlich wie am Bode-Museum in Berlin. Ayrilmaz erklärte, solche Rampen seien speziell im Winter witterungsanfällig.
Mittlerweile sind die Fronten verhärtet. Der Schlösserstiftung hat Kohlmaiers Anwalt ein Schreiben geschickt, in dem Schadensersatz und der Stopp der Arbeiten gefordert wird, weil das Urheberrecht des Architekten auf eklatante Weise verletzt worden sei. Bis zum heutigen Freitag soll sich die Stiftung dazu äußern. „Ansonsten muss ich vor Gericht ziehen“, sagt Kohlmaier. Notfalls will er sogar einen Baustopp erwirken. Ayrilmaz widerspricht: Wenn jede bauliche Veränderung an einem Gebäude das Urheberrecht eines Architekten berühren würde, dann könnte sich in Potsdam nichts mehr bewegen. Auch die Brandenburgische Architektenkammer habe der Stiftung eine korrekte Vorgehensweise bescheinigt, heißt es von der Stiftung. Ayrilmaz: „Aber wenn Herr Kohlmeier das Verfahren rechtlich prüfen lassen will, soll er das tun – wir sind auf der sicheren Seite.“
Es droht also ein möglicher Baustopp – obwohl die Arbeiten im Marstall ohnehin schon im Verzug sind. Statt im Februar sollen sie nun erst im Mai beendet sei, ein Vierteljahr später. Ayrilmaz sagt, unter anderem seien Schadstoffe gefunden worden, „die wir so nicht vermutet hatten“.
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