Landeshauptstadt: Das Ende der Stempel
Die Stadt- und Landesbibliothek begeht heute ein Doppeljubiläum. Anlass für einen Rückblick
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Der Bau galt seinerzeit als modernster Bibliotheksbau der DDR. Nach gut drei Jahren Bauzeit wurde die „Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek des Bezirkes Potsdam“ am 5. Oktober 1974 eingeweiht: Eine große Freihandbibliothek, die spezielle Jugendbuchzone, der Pausenraum oder die Musikbibliothek mit modernen Abhörplätzen zeichneten das Gebäude am Platz der Einheit als topmodern aus, wie Marion Mattekat, die heutige Bibliothekschefin, berichtet. Und: Bibliothekare mussten bei der Ausleihe nicht mehr stempeln. Denn es gab das brandneue „Fotoverbuchungssystem“. Dafür wurden der Leihausweis, die aufgeschlagene Titelseite des Buches und eine Lochkarte mit Informationen zum Ausleihdatum nebeneinandergelegt und mit einer über dem Tisch angebrachten Kamera abfotografiert. Anhand der Aufnahmen konnten die Bibliothekare später säumige Leser ausfindig machen. „Die letzten Filmrollen haben wir jetzt im Rahmen der Sanierung datenschutzkonform entsorgt“, sagt Marion Mattekat.
Während der entkernte und grunderneuerte Bibliotheksbau weiter Formen annimmt, begeht die Einrichtung am heutigen Freitag zwei Jubiläen, die zum Rückblick einladen: Vor genau 20 Jahren wurde der Vertrag über die Gründung der Stadt- und Landesbibliothek in ihrer heutigen Form unterzeichnet. Gleichzeitig jährt sich das Gründungsdatum einer ihrer Vorläufereinrichtungen, der sogenannten wissenschaftlichen Zentralbücherei der Provinzialverwaltung Brandenburg – der späteren Landesbücherei –, zum 90. Mal.
Die gesamte Bibliotheksgeschichte reicht sogar bis ins Jahr 1874 zurück, wie in der Chronik nachzulesen ist. Damals rief ein Volksbildungsverein die Volksbücherei Potsdam ins Leben. Die erste öffentliche Bücherei gab es demnach in Nowawes. Von den 1920er Jahren an bis zur Bombardierung Potsdams während des Zweiten Weltkrieges am 14. April 1945 war die Bücherei dann an prominenter Stelle im Palais Barberini am Alten Markt untergebracht. Der Krieg sorgte auch für die Auslagerung der 1922 in Berlin gegründeten Landesbibliothek nach Potsdam: 1944 gelangte etwa das Fontanearchiv nach Potsdam und wurde dort in der Straße An der Alten Zauche gelagert.
Die Entwicklung nach Kriegsende ist nicht immer einfach zu überblicken, weil beide Bibliotheken mit ihren jeweiligen Abteilungen zunächst noch parallel existierten. Untergebracht waren sie bis zur Fertigstellung der neuen Zentralbibliothek unter anderem im heutigen Landes- und Bundesrechnungshof in der Dortustraße, in der Kurfürstenstraße oder in der Jägerallee.
„In der Geschichte der Bibliothek spiegeln sich die gesellschaftlichen Entwicklungen“, sagt Marion Mattekat. So war die Bibliothek während DDR-Zeiten unter anderem dafür zuständig, Krankenhäuser mit westdeutscher Fachliteratur – sogenannter „Kontingentliteratur“ – zu versorgen, erinnert sich Cornelia Opalla, heute Leiterin des Bereiches Stadtbibliothek. Nach der Wende hatte sich dieser Auftrag dagegen schnell erledigt.
Stattdessen musste der Bücherbestand innerhalb weniger Jahre auf den aktuellen Stand gebracht werden. Dafür gab es Sondermittel von bis zu einer Million D-Mark pro Jahr, erzählt Marion Mattekat. In den Müll wanderte bei dieser Erneuerung aber kaum etwas, betont die Bibliothekschefin. Aus dem alten Bestand seien lediglich die Doppelexemplare ausgemustert worden: „Wir verfügen also über eine gute DDR-Büchersammlung.“
Einsparen musste die Bibliothek dagegen beim Personal: Von 158 Mitarbeitern im Jahr 1989 waren 1995 noch 89,5 Stellen geblieben. Heute kommt die Bibliothek mit 42 Stellen aus. Jana Haase
Für die Führung durchs die Bibliotheksbaustelle am morgigen Samstag gibt es nur noch wenige Restplätze für 13.30 Uhr und 14.30 Uhr. Anmeldung am heutigen Freitag unter Tel.: (0331) 289 66 66 erbeten.
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