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Von Thorsten Metzner: „Das gibt ein dickes Problem“

Von Land und Stadt beschlossene Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions alarmiert Welterbewächter

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Babelsberg - In Potsdam droht erneut ein Konflikt mit der Unesco um die als Welterbe geschützten Schlossparks. Und das ausgerechnet bei einem Projekt der Brandenburger Landesregierung und der Stadt, protegiert von Ministerpräsident Matthias Platzeck und seinem Finanzminister Rainer Speer (beide SPD), finanziert aus dem jüngsten Konjunkturpaket des Bundes: Es geht um die gerade für acht Millionen Euro beschlossene Generalsanierung des maroden Karl-Liebknecht-Stadions, das unmittelbar am Park Babelsberg liegt – und damit direkt an einer der Potsdamer Welterbestätten.

Nach PNN-Informationen ist das deutsche Nationalkomitee des internationalen Denkmalrates Icomos, der für die UN-Kulturorganisation offiziell als Frühwarn-Gutachter bei Gefahren für Welterbestätten fungiert, wegen der Pläne bereits „alarmiert“ – und wird in Kürze auch offiziell intervenieren. Der Icomos-Rat war es auch, der bei der umstrittenen Dresdner Waldschlösschen-Brücke oder der neuen Rhein-Querung nahe der Lorelei das Pariser Welterbezentrum eingeschaltet hatte.

Icomos, Brandenburgs Landeskonservator Detlef Karg und die Schlösserstiftung, die von der Entscheidung der Landesregierung und der Stadtväter überrumpelt wurden, befürchten durch die Millionen-Investitionen in das Stadion vor den Parkzäunen eine weitere Beeinträchtigung der von Preußens Königen einst inszenierten Potsdamer Kulturlandschaft. Diese hatte vor 19 Jahren den Welterbestatus nicht zuletzt wegen der vielfältigen Sichtbeziehungen aus und zwischen den Schlossparks Sanssouci, Neuer Garten und Babelsberg erhalten, wegen des sanften Übergangs von Landschaft und Architektur im „Gesamtkunstwerk Potsdam“. „Man sollte in Potsdam eigentlich gewarnt sein“, sagt etwa Landeskonservator Karg – und erinnert ausdrücklich an den Konflikt mit der Unesco um das „Potsdam-Center“, das in den 90er Jahren beinahe zur Aberkennung des Welterbetitels geführt hätte.

Anders als das damals nach dem Veto aus Paris und der Bundesregierung abgespeckte „Center“ am Stadtbahnhof liegt das Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion unmittelbar am Welterbe-Park. Zwar wird die Kiez-Spielstätte von den Fans der beiden Vereine Babelsberg 03 (Präsident: Rainer Speer) und Turbine Potsdam (Präsident: SPD-Landtagsfraktionschef Günter Baaske) geliebt, betonen Regierung wie Rathaus die Notwendigkeit der Sanierung, die im Zuge des Konjunkturpaketes endlich finanzierbar sei. Doch das zu DDR-Zeiten 1976 ohne Rücksicht auf das Gartendenkmal errichtete, bislang lediglich Bestandsschutz genießende Stadion ist für die wegen der Lärmbelästigungen immer wieder vor Gericht ziehende Anwohner, für Welterbehüter und Denkmalschützer schon lange ein Ärgernis. Es wurde von der Schlösserstiftung „als Provisorium geduldet“, wie Stiftungskonservatorin Gabriele Wolter erläutert.

Dass alles, was mit dem „Karli“ zu tun hat, nicht nur Emotionen in Potsdam hervorruft, sondern den Welterbe-Status berührt, ist Land und Stadt bestens bekannt. Selbst die Unseco-Frühwarnorganisation Icomos war wegen des Stadions schon mehrfach aktiv – etwa als dort vor einigen Jahren erstmals eine Flutlichtanlage errichtet wurde. Diese bekam daraufhin – deutschlandweit einmalig – abknickbare Masten, und selbst die lediglich mit einer befristeten Erlaubnis, die alle fünf Jahre erneuert werden muss.

Als 2006 daraus eine unbefristete Genehmigung werden sollte, intervenierten die Welterbewächter sofort. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) warnte Icomos-Experte Gulio Marano am 8.Juli 2006, „dass die Flutlichtmasten auch in abgeknicktem Zustand eine stark verfremdende und störende Wirkung haben und eine erhebliche Beeinträchtigung der visuellen Integrität des Gartendenkmals darstellen.“ Prompt vermerkte Stadtplanungsamtschef Andreas Goetzmann handschriftlich auf dem Brief: „Da kriegen wir ein dickes Problem.“ Jakobs lenkte ein und antwortete Icomos am 11. August 2006: „Ich versichere Ihnen, dass sichergestellt wird, dass eine rechtmäßige Entscheidung zu diesem diffizilen Thema getroffen wird.“ Es gibt deshalb für die Flutlichtmasten bis heute keine unbefristete Genehmigung, lediglich eine von Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) bis 2012 verlängerte befristete Erlaubnis.

Trotzdem brach der Stadion-Konflikt schon wenige Monate später erneut aus. Das war Anfang 2007, Potsdam kam damals als Standort für die Frauenfußball-WM 2011 in die engere Wahl, vorausgesetzt, dass das „Karli“ zu einer richtigen Fußball-Arena ausgebaut würde. Aus der WM wurde am Ende zwar nichts. Doch schon bei den damaligen Vorbereitungen kam es im März 2007 zu einem geheimen Spitzentreffen mit hochrangigen Icomos- Experten, Karg, Sanssouci-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh, den Stadtvätern und Finanzminister Rainer Speer, dem Fußball-Präsidenten. Nach internen Rathaus-Protokollen, die der PNN vorliegen, war damals noch allen Beteiligten klar, dass am „Karli“ nichts hinter dem Rücken der Welterbehüter passieren darf. Auch deshalb wurden Alternativstandorte geprüft. „Die Unseco muss beteiligt werden“, heißt es etwa in einem Rathaus-Vermerk. Oder: „Der Umbau des Karli ist problematisch, da das Welterbe betroffen ist.“

Umso irritierter reagieren Icomos, Landeskonservator und Schlösserstiftung jetzt, dass sie „aus der Zeitung“, ohne jede vorherige Information von Landes- und Stadtregierung, über die beschlossene Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions erfuhren, womit der Standort auf Dauer zementiert würde – als permanenter Störfall für das Potsdamer Welterbe.

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