Von Jana Haase: Das Herz im Kaffee
HFF-Schauspiel-Studenten drehen mit Profi-Regisseuren. Dabei lernen sie, wie es beim Film wirklich läuft
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Die Räume sind hoch und licht, modern, aber doch gediegen eingerichtet, ein Luxus-Loft. Geld spielt für das junge Paar, das hier wohnt, offenbar keine Rolle. Sie studiert gerade eine Partitur, er serviert ihr einen Cappuccino, gebrüht im teuren Kaffeevollautomaten, ein Herz ziert den Milchschaum. Eine liebevolle Geste, eigentlich. Und doch wird sich daran ein Streit entzünden. Einer von der zermürbenden Art, bei dem die wenigen laut ausgesprochenen Vorwürfe unter der Oberfläche eine andere Geschichte erzählen, ein wortloser Kampf zwischen den Geschlechtern, bei dem es eben nicht um „Brühgruppen“, „Keramikmahlwerke“ und den Hochzeitstag der Schwiegereltern geht, sondern um Eifersucht und Angst vor Verlust, um Selbstzweifel und die Sorge, nicht gut genug zu sein. Es ist ein Streit, bei dem ein Einkaufsbummel zur Racheaktion wird und ein Geschenk auch verletzen kann. „Alles wegen dieser Scheiß-Kaffeemaschine“, schreit die Musikerin irgendwann wütend gegen die Wand.
„Was man zum Leben braucht“ – so lautet der Titel des Kurzfilms von Connie Walther („12 heißt: Ich liebe Dich“), in den Hauptrollen überzeugen Kristin Suckow und Carlo Degen. Das Besondere daran: Die Schauspieler haben ihre Ausbildung gerade erst begonnen – sie studieren im zweiten Jahr an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) Babelsberg. Und sie gehören zum ersten Jahrgang, für den das Fach „Filmarbeit mit Profi-Regisseuren“ auf dem Studienplan steht.
„Wir wollen möglichst viele Profis von außerhalb an die Hochschule holen“, erklärt Professor und Regisseur Bodo Fürneisen, der das Seminar initiiert hat, die Idee: „Die Studenten sollen früh die Teamarbeit unter Leitung von Profis kennenlernen.“ Wenn sich für die Nachwuchsschauspieler daraus Kontakte für eine spätere Zusammenarbeit ergäben, sei das „umso schöner“, so Fürneisen.
Insgesamt vier Kurzfilme sind bei der ersten Auflage entstanden – neben Grimme-Preisträgerin Connie Walther konnte Fürneisen auch Bernd Böhlich („Du bist nicht allein“) und Aelrun Goette („Die Kinder sind tot“) – beide sind ebenfalls Grimme-Preisträger – sowie Christian von Castelberg („Das Glück der Anderen“) gewinnen. Bei der Stoff- und Genrewahl waren die Regisseure frei, wegen des knappen Budgets waren allerdings maximal fünf Drehtage vorgesehen, für die Filmteams wurden Studierende der anderen Fächer rekrutiert.
Für Schauspiel-Student Carlo Degen war das Projekt ein Gewinn, wie er bei der Premiere der Filme im HFF-Kino sagte: „Es war spannend, zu sehen, wie das alles abläuft.“ Denn Regisseurin Connie Walther hatte sich für die Arbeit mit Studierenden extra vorbereitet, wie sie berichtete: „Ich habe beim Dreh versucht, auf jeder Ebene zu erklären, was gerade passiert.“ Schauspieler seien beim Dreh oft „total fokussiert auf sich“, erklärte sie: „Für sie ist es entlastend, zu sehen, dass die anderen Departements auch Probleme haben.“
Auch Schauspiel-Student Christoph Schinkel war vom Dreh mit Regisseur Christian von Castelberg überzeugt: „Die Arbeit war ganz anders als bei einer Studentenproduktion“, erzählte er: „Ich habe von Anfang an mehr gewusst, wohin die Reise gehen sollte.“ Dabei spielt die Dreiecksgeschichte um Paula, ihren Kumpel Martin und den Draufgänger-Träumer-Typen Tom im Film „Sei, wie ich will“ bewusst mit den Realitäten, erweist sich als Verwirrspiel für den Zuschauer: Hat sich die brave Paula – gespielt von Larissa Breidbach – wirklich auf die stürmische Affäre mit Tom eingelassen, der unter ungeklärten Umständen verschwindet? Und steckt in dem fürsorgenden Kumpel-Depp Martin (Florian Denk) doch noch ein anderer Mann?
Das Teenager-Porträt „einfach so“ von Aelrun Goette verstört den Zuschauer dagegen, weil er von Anfang an weiß, wie alles enden wird: Der Amoklauf einer 17-jährigen Schülerin im kalifornischen San Diego mit zwei Toten und neun Verletzten im Januar 1979 war Ausgangspunkt für den Kurzfilm. Er erzählt aus dem Leben der 17-jährigen Brenda (Nadine Boske), die von ihren Mitschülern als „Opfer“ beschimpft und erniedrigt wird, ehe sie selbst zur Täterin wird und zum Gewehr greift, „einfach so“, wie sie einem Freund erklärt. Zur Vorbereitung auf die Rollen hätten die Schauspieler Tagebucheinträge als Figur geschrieben, berichtete Nadine Boske von der Arbeit: „Ich habe versucht, die Not, die meine Figur hat, bei mir selber zu finden.“
Das Projekt soll bereits im April fortgesetzt werden, sagte Bodo Fürneisen: Neben Bernd Böhlich und Connie Walther hätten dafür bereits Thomas Jahn („Knockin’ on Heaven’s Door“) und der Tatort-Regisseur Lars Montag zugesagt.
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