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Der Potsdamer Rathauschef war vor 39 Jahren selbst auf Utöya – als Betreuer für 600 Kinder und Jugendliche.

© Manfred Thomas

Interview mit Oberbürgermeister Jann Jakobs: „Das ist kein Votum gegen mich“

Nach dem Wahldebakel: Oberbürgermeister Jann Jakobs will sein Rathausbündnis retten und schnell einen Beigeordneten finden. Außerdem wünscht er sich stabile Partner.

Stand:

Herr Jakobs, Ihr Rathausbündnis ist geplatzt, einen neuen Baubeigeordneten gibt es auch nach dem zweiten Anlauf nicht – wie geht es jetzt weiter?

Die Situation ist ausgesprochen schwierig. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden, keine Frage. Wir müssen, das ist wichtig für die Landeshauptstadt Potsdam, dennoch möglichst schnell eine gute Besetzung für den Posten des Baubeigeordneten finden. Das werden wir zu besprechen haben. Dabei gilt: Das eine ist, was ich mir vorstellen. Das andere, dass ich für meine Vorhaben auch die entsprechende Mehrheit erhalten muss. Da befinde ich mich gegenwärtig in der Erörterungsphase.

Stellen Sie nun den zweiten Bewerber aus der Endrunde, Bernd Rubelt, auf? Oder wird erneut ausgeschrieben?

Es gibt die Option neu auszuschreiben – das würde aber bis nach der Sommerpause dauern. Und ja, es gibt auch die Möglichkeit, nun Herrn Rubelt aufzustellen. Das wird zu besprechen sein.

Sie könnten auch einfach jemanden vorschlagen, ohne vorherige Ausschreibung?

Nein, man könnte das Verfahren aber noch einmal öffnen. Über unseren weiteren Weg werde ich den Hauptausschuss am 14. Dezember informieren.

Der Posten des Baubeigeordneten ist extrem wichtig in Potsdam. Jetzt ist er schon mehr als ein Jahr nicht besetzt. Welche Konsequenzen hat das?

Potsdam ist eine sehr dynamisch wachsende Stadt, wir sind da mit vielen Herausforderungen konfrontiert – etwa wenn es um Flächen für zusätzliche Infrastruktur oder Wohnraum geht. Hier leistet Stadtplanungschef Andreas Goetzmann mit seiner Mannschaft eine hervorragende Arbeit. Allerdings ist da natürlich ein Vakuum, das gefüllt werden muss. Es geht nicht zuletzt auch um die Verkehrsprobleme der Stadt, die bewältigt werden müssen. Da ist es wichtig, dass dies von jemandem wahrgenommen wird, der nicht nur die Fachlichkeit vertritt, sondern auch die Kommunikation solcher Themen in den öffentlichen Raum übernimmt, der auch die politischen Gremien mitnimmt. Das kann nicht alles von Herr Goetzmann allein bewältigt werden, da braucht es Entlastung. Daher müssen wir die Stelle so schnell wie möglich besetzen.

Wäre der Stadtplanungschef Goetzmann selbst denn keine Alternative?

Wir haben bisher extern gesucht – und mir ist nicht bekannt, dass Herr Goetzmann diese Position anstrebt.

Warum bewerben sich anscheinend nur wenige Qualifizierte für das Amt – oder lag es an der Auswahl der Kandidaten?

Wie kommen Sie darauf? Das sehe ich anders. Es gab eine hervorragende Bewerberrunde, aus der wir uns dann gemeinsam auf einen Kandidaten geeinigt haben. Es lag nicht an der Fachlichkeit der Bewerber. Das waren offenbar andere Gründe.

Welche Erklärung haben Sie dann dafür, dass offensichtlich auch einige Ihrer Genossen nicht hinter Ihrem Kandidaten Christof Nolda standen?

Wenn ich eine hätte, hätte ich vermutlich auch den Hebel, um hier die Scharte auszuwetzen. Ich hatte keine Signale, dass Herr Nolda nicht unterstützt wird. Das war auch aus der Kooperationsrunde am Montagabend nicht zu schließen. Ich habe mich auf die Zusagen, die gemacht worden sind, verlassen. Die Beweggründe für die nicht erfolgte Zustimmung herauszufinden, wird jetzt eine unserer Aufgaben sein.

Ist Ihnen bekannt, dass es aus der SPD-Fraktion gegenüber Fraktionschef Pete Heuer klare Ankündigungen gab, dass die Fraktion Nolda nicht unterstützen will und wird?

Wie gesagt: Am Montagabend in der Runde der Fraktionschefs der Kooperation ist Herr Nolda präferiert worden, darauf habe ich mich verlassen. Aber Sie spielen wohl auf eine Äußerung eines SPD-Stadtverordneten an, von der ich am Mittwochvormittag Kenntnis erhalten habe. Wir haben dies als Einzelmeinung gedeutet, als Haltung eines Einzelnen. Mit ihm ist auch gesprochen worden. Insofern hat diese Erklärung in der Mail kein ausschlaggebendes Gewicht gehabt. Insgesamt haben wir die Stimmung offensichtlich nicht richtig eingeschätzt.

Brauchen Sie einen neuen SPD-Fraktionschef, der tatsächlich und zuverlässig Mehrheiten sichert?

Das Scheitern nun auf einen Einzelnen zurückzuführen, ist für mich eine verkürzte Sicht der Dinge. Hier haben alle ihr Scherflein beigetragen, da will ich mich nicht ausnehmen. Von daher müssen wir auch gemeinsam versuchen, diese Suppe wieder auszulöffeln.

Nehmen Sie das Wahldebakel persönlich – ist es also auch ein Votum gegen Ihre Politik gewesen?

Das ist kein Votum gegen mich gewesen. Ich bin aber auch genauso betroffen und ich bin natürlich enttäuscht. Es ist auf jeden Fall keine Situation, in der ein „Weiter so“ möglich ist.

Am Donnerstagabend tagt der Kooperationsausschuss – ist es Ihr Ziel, das Rathausbündnis zu kitten?

Ja, das ist mein Ziel. Aber ob es gelingt, das weiß ich nicht. Das wird aber ein längerer Prozess sein, wenn es überhaupt geht. Ein einziges Gespräch wird da sicherlich nicht reichen. Wir müssen überlegen, wie wir künftig wieder stabile Mehrheiten bekommen, auf die man sich verlassen kann, damit nicht wie früher jede Abstimmung eine Zitterpartie wird.

Können Sie den Schritt der Bündnisgrünen nachvollziehen, das Bündnis aufzukündigen?

Ich empfinde das als nachvollziehbar. Allerdings war es aber auch eine sehr spontane Reaktion. Politik besteht aber nicht darin, spontan zu reagieren, sondern auch die langfristigen Folgen zu bedenken. Das will wohl überlegt sein.

Was bedeutet es für Ihr politisches Handeln, wenn die Kooperation nicht weiterbesteht? Ist ein rot-rotes Bündnis eine Option?

Rot-Rot wäre die einzige Alternative, wenn es um stabile Mehrheiten geht. Aber es ist für mich im Augenblick keine Option. Wechselnde Mehrheiten, die von Fall zu Fall zustande kommen, sind allerdings auch ein anstrengendes politisches Agieren. Mir wären stabile Partner schon lieber.

Bislang haben Sie offengelassen, ob Sie noch einmal als Oberbürgermeister-Kandidat antreten. Ist jetzt der Punkt gekommen, an dem Sie sagen: Das war’s?

Das ist nicht der Zeitpunkt darüber nachzudenken, ob man antritt oder nicht. Darauf verschwende ich gerade keinen Gedanken.

Zur Person:

Jann Jakobs, 62, ist seit November 2002 Potsdams Oberbürgermeister. Der Sozialdemokrat ist gebürtiger Ostfriese, verheiratet und Vater von vier Kindern. Nach einer Ausbildung zum Erzieher studierte er Sozialarbeit und Sozialpädagogik, danach Soziologie und Politikwissenschaft. Von 1993 bis 1997 war er Jugendamtsleiter in Potsdam. 1997 wurde er zum Sozialbeigeordneten gewählt, im März 1999 wurde er zudem Bürgermeister und damit Stellvertreter des damaligen Oberbürgermeisters Matthias Platzeck (SPD). Nach der Anhebung der Altersgrenze für Bürgermeister in Brandenburg könnte Jakobs 2018 noch einmal antreten.

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