SPITZEL-AFFÄRE: Das Kommunal-Imperium
Sieben Firmen unter einem Dach: Ohne die Stadtwerke läuft nichts. Architekt des Konzerns ist Paffhausen
- Jana Haase
- Matthias Matern
- Peer Straube
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Von der Straßenbeleuchtung bis zur Müllentsorgung, vom Nahverkehr bis zum Betrieb der Schwimmbäder – ohne die Stadtwerke geht in Potsdam gar nichts. Sogar viele Sportvereine und Jugendprojekte hängen am Tropf des Kommunalkonzerns. Mit gut 1100 Mitarbeitern sind die Stadtwerke zudem einer der größten Arbeitgeber Potsdams, der Jahresumsatz liegt bei mehr als 200 Millionen Euro. Kaum ein anderer städtischer Unternehmensverbund im Land Brandenburg deckt eine solche Aufgabenfülle ab.
100-prozentiger Eigentümer des sogenannten Kommunalen Querverbundes ist die Stadt. Sieben Gesellschaften sind heute unter dem Dach der Stadtwerke zusammengeschlossen: Die Energie und Wasser Potsdam (EWP) ist mit Gewinnen in zweistelliger Millionenhöhe die rentabelste. Außerdem gehören dazu die Stadtentsorgung Potsdam (STEP), der Verkehrsbetrieb (VIP), die Stadtbeleuchtung, der Kommunale Fuhrparkservice und die Bäderlandschaft. An zwei Firmen ist auch die Privatwirtschaft beteiligt: Der Energieversorger Eon Edis hält 35 Prozent an der EWP, die STEP gehört zu 49 Prozent dem Entsorger Remondis.
Architekt des Kommunal-Imperiums ist Peter Paffhausen, bis zum gestrigen Freitag Geschäftsführer der Stadtwerke und der EWP. Zumindest seine unternehmerische Leistung ist in Wirtschaftskreisen unumstritten. Allerdings lagen in Potsdam auch früher schon einmal mehrere kommunale Aufgaben in einer Hand. Auf Grundlage der 1935 in Kraft getretenen Deutschen Gemeindeordnung fassten die Nationalsozialisten damals die Ver- und Entsorgung sowie die bestehenden Verkehrsunternehmen unter dem Dach der „Stadtwerke Potsdam“ zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam 1949 vorerst das Ende: Die Stadtwerke wurden aufgelöst, das Kommunalwirtschaftsunternehmen Potsdam gegründet.
Bereits direkt nach der Wende erlebte die Idee der „Stadtwerke Potsdam“ eine Renaissance. Die Pläne scheiterten 1991 jedoch an Schwierigkeiten mit dem privaten Strommarkt. 1997 schließlich, als Peter Paffhausen Geschäftsführer der Energieversorgung Potsdam GmbH (EVP), einem Vorgänger der EWP, wurde, begann der dritte Anlauf. Diesmal spielten auch die privaten Anteilseigner an den städtischen Betrieben, die Eon Edis und die RWE Umwelttechnik, mit. Als weitere Voraussetzung hatte Paffhausen noch im Stadtwerke-Gründungsjahr die Privatisierung des Wasserbetriebs an die Eurawasser rückgängig gemacht und die Firma ins Eigentum der Kommune zurückgeholt. 2005 wurden dann auch die kommunalen Bäder in die Hoheit der Stadtwerke gegeben. Später musste der Konzern die unrentable Stadtbeleuchtung schlucken und den kommunalen Fuhrpark.
Umstritten sind die umfangreichen Sponsoring-Aktivitäten des Konzerngeflechts: Unterstützung gibt es unter anderem für Sportvereine wie den SV Babelsberg 03 oder den SC Potsdam, für Jugendeinrichtungen wie „Freiland“ oder den Jugendclub 18, Kulturinstitutionen wie das Filmmuseum, Veranstaltungen wie das Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ und Projekte wie der Wiederaufbau des Stadtkanals. Das Problem: Welche Summen oder Sachmittel an wen gehen, darüber schweigt sich die Unternehmensspitze bislang aus. Kritiker bemängeln die fehlende Transparenz. Auch das jährliche Stadtwerke-Fest – ein mehrtägiges Spektakel bei freiem Eintritt –, für das Paffhausen Jahr für Jahr hochkarätige Stars verpflichtete, geriet wegen fehlender Transparenz immer wieder in die Kritik.
Den Weg vom städtischen Energieversorger zum kommunalen Multi-Dienstleister beschreibt Paffhausen auf seiner privaten Internetseite als „Ergebnis jahrelanger beharrlicher Bemühungen“. Er wollte ihn noch weiter gehen: Unter dem Codewort „Projekt Krone“ verfolgte der gebürtige Rheinland-Pfälzer hinter den Kulissen seit Jahren den Plan, alle Kommunalbetriebe in einer Muttergesellschaft zu vereinen.
Nach seinem Abgang stellt sich nun die Frage der Nachfolge. Grundsätzlich müsse die Stelle bundesweit ausgeschrieben werden, meint Karl-Ludwig Böttcher, Chef des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes. „In absoluten Ausnahmefällen, etwa wenn bereits geeignete Kandidaten zur Verfügung stehen, kann darauf verzichtet werden.“ Die Entscheidung, welcher Kandidat der passendste sei, treffe aber ausschließlich der Aufsichtsrat. Dort sitzen unter dem Vorsitz von Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) etwa der Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, Marcel Yon (FDP) und Horst Heinzel (CDU). Vorerst soll Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) die Stadtwerke-Führung kommissarisch übernehmen.
An einem Erbe Paffhausens will die Stadt in jedem Fall festhalten: Das diesjährige Stadtwerkefest werde wie geplant stattfinden, versicherte Jakobs. Auch in den kommenden Jahren werde es die Veranstaltung in vollem Umfang geben.
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