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Landeshauptstadt: Das lange Warten auf die Verstärkung

Die Polizei konnte nur mit Verspätung gegen das Treffen der Hells Angels vorgehen – weil Einsatzkräfte aus Berlin nötig waren

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Innenstadt - Die Polizei war am Freitagabend völlig überrascht von dem Treffen der Hells Angels in dem Vereinsheim in der Charlottenstraße. „Das war eine ganz spontane Lage“, hieß es. Ermittler in Zivil nahmen das Objekt etwa ab 20 Uhr ins Visier, in dem sich rund hundert Mitglieder der Hells Angels und deren Unterstützerklubs aus Berlin und Brandenburg versammelten. Auch die Polizeiführung der Direktion West wurde informiert, eingreifen aber konnte sie noch nicht – denn es fehlten die dafür ausgerüsteten Einsatzkräfte. Von den vier Hundertschaften der brandenburgischen Polizei, von denen eine in Potsdam stationiert ist, war keine verfügbar. Deshalb musste Verstärkung angefordert werden – aus Berlin.

Der Sprecher des Innenministeriums bezeichnete es als völlig normal, dass Unterstützungskräfte angefordert werden. Berlin und Brandenburg arbeiten beim Vorgehen gegen Rockerkriminalität eng zusammen und helfen sich gegenseitig, sagte er. Ein Polizeisprecher erklärte, die Situation sei zunächst schwer einzuschätzen gewesen, deshalb habe die Polizei Unterstützung aus Berlin bekommen.

Erst um 22 Uhr, als genügend Beamte einer Hundertschaft aus Berlin angerückt waren, riegelte die Polizei die Charlottenstraße vor dem Vereinsheim ab. Die Rocker verbarrikadierten sich und ließen die Rollos an dem Klubhaus des früheren Potsdamers Charters herunter, das sich im Juni aufgelöst hatte und wo bei zwei Razzien Waffen gefunden worden waren.

Für die Polizei war es auch eine Machtdemonstration. Die Sicherheitsbehörden versuchen, die Rockerszene seit dem Frühjahr verstärkt mit Kontrollen bei Klubtreffen, mit Razzien, aber auch mit Klubverboten wie in Berlin unter Druck zu setzen. Offiziell ist von einer Null-Toleranz-Strategie die Rede. Grund sind Befürchtungen, die Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Klubs könnten eskalieren. Die kriminellen Aktivitäten von Rockergruppen seien eine besondere Herausforderung für die innere Sicherheit, sagte Decker. Verschiedene Klubs konkurrieren um Einfluss beim Drogenhandel, in der Türsteherszene und im Rotlichtmilieu. In Berlin hatte es Schüsse auf die Bandidos gegeben, den Hauptkonkurrenten der Hells Angels. Im Gegenzug hatten die Bandidos einen Sprengstoffanschlag auf zu den Hells Angels übergelaufene Mitglieder geplant, der aber von den Behörden vereitelt wurde. Inzwischen scheint der Machtkampf entschieden. Trotz der Selbstauflösung der Potsdamer Hells Angels im Juni hat der Klub seine Vormachtstellung in der Region ausgebaut. Noch im Sommer wurde der Ableger „East Area“ für die Potsdamer Region gegründet. Und die ist offenbar für die Hells Angels von strategischer Bedeutung. Dafür spricht auch die Anwesenheit eines Mannes: Mit Rayk F. war eine der Führungsfiguren des Klubs in Berlin und Brandenburg bei dem Treffen dabei. Der frühere Karatekämpfer saß vor einiger Zeit im Gefängnis, ist wegen Körperverletzung vorbestraft, in der Szene und bei Polizeibeamten wegen seiner Brutalität gefürchtet.

Schließlich handelte die Einsatzleitung der Polizei in der Nacht zu Samstag mit einer Anwältin der Hells Angels eine Absprache aus, um eine Eskalation der Lage zu verhindern. Die teils mit Maschinenpistolen bewaffneten Beamten zogen sich in die Seitenstraßen zurück, die Rocker lösten ihr Treffen freiwillig auf. In kleinen Gruppen verließen sie das Gebäude, wurden aber an verschiedenen Stellen von der Polizei gestoppt. Die Beamten nahmen die Personalien auf und durchsuchten insgesamt 30 Rocker. Waffen wurden nicht gefunden. Der Einsatz dauerte bis nach Mitternacht. Was aber genau hinter dem Treffen steckte, darüber rätseln die Ermittler. „Ob es eine normale Zusammenkunft war oder mehr dahintersteckt, ist unklar“, sagte auch der Ministeriumssprecher.

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