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Heimspiel für den Baubeigeordneten. Matthias Klipp (Mitte) führte die Konferenzteilnehmer am Wochenende durch die Innenstadt.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Das Mercure unsichtbar machen

Baudezernent Matthias Klipp zeigte Stadtplanern aus Deutschland und Italien die Potsdamer Innenstadt

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Samstagvormittag in den Potsdamer Bahnhofspassagen. Eine Gruppe Interessierter steht vor dem Modell der Innenstadt, das seit Jahren in einer Nische gegenüber dem UCI-Kino ein Dasein fristet. Während sich die Gruppe noch ein wenig umschaut, bittet ihr Stadtführer fast um Entschuldigung für den Zustand der Stadtpräsentation im Miniaturformat. Doch noch viel peinlicher ist ihm das Bahnhofsgebäude selbst. Er nennt es „eine städtebauliche Sünde“.

Der so spricht, ist in Potsdam für seine klaren Worte bekannt: Matthias Klipp, Potsdams bündnisgrüner Baubeigeordneter. An diesem Vormittag führt er eine Gruppe von wenig mehr als zehn Teilnehmern des sechsten Bundeskongresses zur nationalen Stadtentwicklungspolitik durch Potsdam. Aus Berlin sind sie angereist, die brandenburgische Landeshauptstadt ist eine von mehreren Exkursionszielen, zwischen denen die Kongressbesucher wählen konnten.

Klare Worte findet Klipp an diesem Vormittag auch draußen vor dem Bahnhofsgebäude beim Blick auf den Brauhausberg. Zu DDR-Zeiten habe es in Potsdam eine hohe Dichte an systemtreuen Eliten gegeben. „Das prägt die Stadt bis heute“, sagt Klipp, der selbst einst der DDR-Opposition im Prenzlauer Berg angehörte. Das Wählerpotenzial der Linken sei beträchtlich, aber, so wird Klipp später im Verlauf der Stadtführung zufrieden sagen, es schrumpfe zusehends. Demografie, wie sie Klipp gefällt. Und noch etwas gibt der Baubeigeordnete den Potsdambesuchern gleich mit auf den Weg: Protest gegen Neubauten begegne ihm überall in der Stadt. „Wenn's darum geht, neu zu bauen, bitte nicht vor meiner Haustür“, sei die Einstellung vieler Bürger.

Doch wenigstens heute, an diesem sonnigen Vormittag, hat Klipp nicht mit Protest zu rechnen. Die Stadtplaner und Architekten vom Berliner Kongress hängen an seinen Lippen: Leitbautenkonzept, Palast Barberini, Stadtschloss – der Baubeigeordnete hat hier ein Heimspiel. Jemand möchte wissen, wie teuer die Grundstücke an der Alten Fahrt waren. 400 bis 800 Euro pro Quadratmeter, antwortet Klipp.

Der Baubeigeordnete, der schon aufgrund seiner Körpergröße der ideale Stadtführer zu sein scheint, lenkt nun den Blick der Besucher auf einen Solitärbau, dessen Größe viele Potsdamer als weniger ideal empfinden: das Hotel Mercure. Es handele sich schlicht um eine Fehlnutzung öffentlichen Raumes, erklärt Klipp seinen Gästen. Das Hotel gehöre hier nicht hin. Darauf gerät die Harmonie zwischen ihm und seinen Zuhörern leicht ins Wanken. Eine Frau aus Marburg will sich nicht zufrieden geben mit der von Klipp favorisierten Abrisslösung. „Da verschwindet dann auch Geschichte“, sagt sie, worauf Klipp ihr entgegnet, es sei die Frage, ob das Hotel bewahrenswert ist. Die Frau lässt nicht locker: „Wer definiert, was bewahrenswert ist?“ Das könnten doch nur die Bürger entscheiden. Klipp beendet die Diskussion schließlich: „Gehört einer Heuschrecke und wird von den Linken verteidigt – auch ganz interessant“, so sein Schlussplädoyer zum Hotel.

„Ich habe eine Idee“, stürzt es wenig später aus einer Frau heraus. Man könne das Hotel vielleicht anleuchten und damit ein wenig unsichtbar machen: Blauer Himmel, blaues Licht. Grauer Himmel, graues Licht. Klipp hat diesen Vorschlag wohl gar nicht gehört und schreitet schnellen Schrittes voran. Doch wenn das mit dem Licht so einfach ginge, warum eigentlich nicht? Die Frau ist schließlich vom Fach: Maria Rosa Ronzoni, Professorin für Städtebau an der Universität von Bergamo. Mit moderner Technik sei heute vieles möglich. Doch ein praktisches Beispiel für ihre verwegene Idee kann die Italienerin nicht nennen.

Klipp präsentiert seinen Gästen derweil weiter die Stadt, in der er seit drei Jahren die Geschicke der Bauplanung verantwortet. Die durchgehende Wiedererrichtung des Stadtkanals nennt er eine Generationenaufgabe. Ohne Fördermittel laufe da nichts. In dem für ihn typischen Duktus bedenkt er das Haus Dietz in der Kurfürstenstraße: „Wird demnächst abgerissen.“ Ein Viergeschosser werde an die Stelle treten. Ein Ausdruck des Bedauerns fällt dabei nicht.

Und natürlich darf auch an diesem Samstag Klipps Lieblingsthema nicht zu kurz kommen: der innerstädtische Radverkehr. Potsdams oberster Pedalritter, der während der gesamten Führung einen Fahrradhelm mit sich umherträgt, preist seine Erfolge. Doch auch bei ihm haben Radfahrer keine Narrenfreiheit. Als sich am Samstag ein Radler den Weg an der kleinen Gästeschar vorbei freiklingeln will, mischt sich Ironie in Klipps klare Worte: „Das ist Brandenburger Herzlichkeit – fährt auf dem Gehweg, aber klingelt.“

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