zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Das Symbol vom Maidan“

Potsdam? Da muss Vitali Klitschko überlegen.

Von Peer Straube

Stand:

Potsdam? Da muss Vitali Klitschko überlegen. „Bisher bin ich immer nur dran vorbeigefahren“, gibt der Ex-Boxchampion und heutige Bürgermeister der ukrainischen Stadt Kiew zu. „Aber ich muss sagen, ich bin sehr positiv überrascht.“

Es ist Freitagabend, Klitschko steht im Blitzlichtgewitter vor dem Orangerieschloss im Park Sanssouci. Er ist der politische Star des diesjährigen internationalen Mediengipfels M100, der seit zehn Jahren in Potsdam stattfindet. Für seine Rolle im Kampf um die Demokratie in seiner ukrainischen Heimat wird ihm in diesem Jahr der M100-Media-Award verliehen.

Klitschko sei „das Symbol vom Maidan“ geworden, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in Anspielung auf jenen Platz in Kiew, auf dem die Demonstrationen gegen das Yanukowych-Regime und für eine demokratische Ukraine stattgefunden hatten. Der Ex-Profiboxer habe mäßigend und beruhigend auf die Massen eingewirkt und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass die Proteste friedlich verlaufen seien, so Jakobs. Der Preis solle Klitschko „Mut machen für die Demokratiebewegung in seinem Land“.

Der Geehrte gab sich bescheiden. Der Preis gebühre nicht allein ihm, sondern den „Hunderttausenden in der Ukraine“, die für Freiheit und Demokratie kämpfen, sagte Klitschko. Die Ukraine gehöre zu Europa, er wolle dort eine Demokratie aufbauen, wie es sie in anderen osteuropäischen Ländern, etwa in Polen, Tschechien und Ungarn, bereits gebe. Die Menschen in seinem Land kämpften für Freiheit, sichere Arbeitsplätze und Wohlstand.

Einen Sonderpreis verlieh der M100-Beirat in diesem Jahr an die ukrainische Gruppe Yanukovich-Leaks. Benannt nach dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten, hatte die aus Journalisten bestehende Gruppe insgesamt 25 000 Dokumente geborgen, die der Präsident auf seiner Flucht in einem Teich auf seinem Grundstück versenkt hatte. Die Gruppe habe die belastenden Papiere systematisiert und auf einer eigenen Website im Internet veröffentlicht, „um der Welt zu zeigen, wie groß das Ausmaß der Korruption“ unter dem Yanukovich-Regime war, sagte Natalie Sedletzka, die den Preis gemeinsam mit ihrer Kollegin Kateryna Kapliuk stellvertretend für die Yanukovich-Leaks-Gruppe entgegennahm. Die Aktion der Journalisten sei auch als Warnung an Diktatoren in aller Welt gedacht, sich nicht allzu sicher zu fühlen: „Egal, wie hoch der Zaun ist“, so Sedletzka, „früher oder später werden alle Geheimnisse gelüftet.“

Vor versammelter Journalistenprominenz aus aller Welt, darunter Springer-Vorstand Mathias Döpfner und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, brach dann Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, in seiner Rede eine Lanze für die Freiheit an sich. Die Preisverleihung an Klitschko und Yanukovich-Leaks sei eine „gute Wahl“, denn sie sei ein „wichtiges Zeichen der Solidarität und Ermutigung der Demokratiebewegung in der Ukraine“. Fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei es bitter, wenn jetzt „Grenzen in Europa erneut verschoben“ würden, sagte Schulz. Nichts anderes sei der Anschluss der Krim an Russland als die „Rückkehr zum Recht des Stärkeren“. Dies dürfe man nicht hinnehmen. Die Sanktionen der EU gegen Russland seien daher der richtige Schritt, selbst „wenn sie auch unsere Wirtschaft treffen“.

Klitschko selbst redet eine Viertelstunde. Er wirkt ernst, nachdenklich. Und er appelliert an den Westen, die Ukraine im Kampf für mehr Freiheit auszuweiten. Es müsse auch finanzielle Hilfe geben. Russlands Präsident Putin wolle den Wunsch seines Landes nach Demokratie nicht akzeptieren. „Die Zukunft Europas entscheidet sich in der Ukraine“, so der Bürgermeister von Kiew.

Für Potsdam sei der Wert des Mediengipfels M100 kaum zu überschätzen, sagte Oberbürgermeister Jakobs den PNN. Die politische Prominenz – Laudator für Klitschko war etwa Österreichs Außenminister Sebastian Kurz –, aber auch die Medienprominenz seien sensationell. „International machen wir uns damit einen Namen“, so Jakobs. Jedes Jahr gelinge es beim M100-Gipfel, „freie, offene und kontrovers geführte Diskussionen zu den großen Themen unserer Zeit“ zu führen, lobte das Stadtoberhaupt.

Zu den Gästen in der Orangerie zählten auch frühere Gewinner des M100-Medienpreises, darunter der dänische Karikaturist Kurt Westergaard und der Preisträger des Vorjahres, Erdem Gündüz, der als „Standing Man“ vom Taksim-Platz in Istanbul zum Symbol für die Demokratiebewegung in der Türkei wurde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })