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Von Klaus Büstrin: Das Tor zur himmlischen Welt

Die Russisch-Orthodoxe Gemeinde feiert heute auf dem Kapellenberg das Weihnachtsfest

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In Russland gehen die Uhren weihnachtsmäßig anders als bei uns. Das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest wird 13 Tage später gefeiert. Gestern, am 6. Januar, war der Heilige Abend. Begangen wurde er traditionell ab dem späten Nachmittag mit einer Nachtwache. Und heute ist das Christfest.

Der julianische Kalender, der von Julius Caesar im Jahre 45 v. Chr. eingeführt wurde, ist bindend für die Kirche. Und so werden sich auch heute Vormittag viele Gläubige auf den Weg in die Alexander-Newski-Kirche auf den Kapellenberg begeben, um die Göttliche Liturgie zu feiern. Kerzen, Weihrauch, Worte aus der Bibel sowie die Gesänge des Chores erfüllen dann das Innere des kleinen, doch kostbaren Gotteshauses. Auch zwei Weihnachtsbäume schmücken ihn. Erzpriester Anatolij Koljada hat schon vor einigen Tagen die Ikone der Christgeburt aufgestellt. Das Gebet vor der Ikone sowie der Gesang ist für die Gläubigen das Tor von der irdischen zur himmlischen Welt.

Nach dem Gottesdienst, den man in russischer und teilweise in deutscher Sprache feiert, gibt es im daneben stehenden Pfarr- und Gemeindehaus ein Festessen, denn die vierzigtägige Fastenzeit hat nun ein Ende. Der Verzehr von Fleisch, Käse, Butter, Milch und Eiern ist vor Weihnachten nicht erlaubt. Das wahre Fasten ist jedoch keine Diät. Wichtig ist die Enthaltsamkeit in allen Lebensbereichen.

Anatolij Koljada, auch nur Vater Anatolij genannt, ist seit mehr als 20 Jahren Priester an der Alexander-Newski-Kirche. Er hat die politische Entwicklung während und nach der Wende in Ostdeutschland und damit auch in Potsdam intensiv erleben können. Auch der Wandel in Russland hatte Auswirkungen auf die Gemeinde, die bis 1990 sehr klein war. Obwohl in Potsdam viele russische Soldatenfamilien lebten, war ihnen der Weg zur Kirche nicht erlaubt.

Nach dem politischen Umbruch siedelten Russen und Russlanddeutsche in die Bundesrepublik um. Hier wollen sie neue Möglichkeiten besserer Lebensqualität finden. Ein Stück Heimat suchen und erleben sie in den russisch-orthodoxen Gemeinden. So mancher von ihnen, obwohl die kommunistischen Machthaber der Sowjetunion den Atheismus predigten, bewahrten insgeheim ihren christlichen Glauben. Dafür sorgten oftmals die Großmütter.

Die Zahl der Gemeindeglieder erhöht sich ständig. Nicht nur aus der Landeshauptstadt kommen die orthodoxen Christen, sondern auch aus dem Umland. So mancher, der zuvor in anderen Konfessionen beheimatet war, konvertiert zur russisch-orthodoxen Kirche. Zu ihrem Entschluss tragen auch das Ritual und der sakrale Raum bei. Denn sie dienen zur Glaubensverinnerlichung, die eben eher durch die Sinne, das Gemüt und den Willen vor sich geht. Auch die feierlichen Gesänge gehören dazu. In Potsdam leitet die Schwiegertochter des Erzpriesters, Julia Koljada, den Chor. Instrumente erklingen in der Göttlichen Liturgie nicht. Denn mit dem Singen betet auch der Gläubige. Eine Orgel beispielsweise kann dies nicht.

Auch andere Familienmitglieder Koljadas sind in der Gemeinde aktiv, so die beiden Söhne Daniil als Diakon und Sergej als Sekretär des Pfarrgemeinderates und als Altardiener.

In diesem Jahr feiert das Gotteshaus auf dem Kapellenberg sein 180-jähriges Kirchweihfest. Sie wurde für die Bewohner der Russischen Kolonie Alexandrowka gebaut. Die Bauzeichnungen stammen von dem russischen Bauingenieur Wassili Petrowitsch Stassow. Als Namenspatron bestimmte man Alexander Newski, unter dessen Führung 1240 die Schweden an der Newa besiegt wurden. Bis zum Jubiläum möchte man auch den neuen Friedhof für die Gemeindeglieder einweihen. Zwar steht dafür das Holztor bereit, doch die Landesdenkmalpflege hat bisher noch kein grünes Licht für die Bestattung auf der vorgesehenen Fläche auf dem Kapellenberg gegeben. Auch ein größeres Gemeindehaus benötigen die Gläubigen. Doch bis es steht, wird sicherlich ein langer Atem vonnöten sein.

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