Landeshauptstadt: „Das Wachstum der Industrie fand hier statt“
Studio Babelsberg-Chef Christoph Fisser über Rekordumsätze, Expansionspläne, Oscar-Hoffnungen und die diesjährige Berlinale
Stand:
Herr Fisser, das Studio Babelsberg hat das erfolgreichste Jahr seit der Wende hinter sich. Wehmut?
Ich bin tatsächlich ein wenig traurig. 2007 war ein sehr schönes Jahr. Auf der anderen Seite sind wir auch froh, dass es vorbei ist, weil es mit viel Stress und Aufregung verbunden war. Ich erinnere nur an den Wirbel um „Valkyrie“ und Tom Cruise.
Für 2007 haben Sie mit einem Gewinn von fünf Millionen Euro gerechnet. Ist das Ziel erreicht?
Ja, das Ziel ist übererreicht, ist locker erreicht worden. Es sind sogar mehr als fünf Millionen Euro. Die genauen Zahlen werden wir bekannt geben, wenn die Wirtschaftsprüfer sie bestätigen.
Maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg scheint der Deutsche Filmförderfond (DFFF). Kritiker meinen allerdings, Babelsberg habe im Premierenjahr einen zu großen Teil der 60 Millionen Euro zugesprochen bekommen.
Das mag so erscheinen, wenn man nur sieht, wie viel Studio Babelsberg aus dem DFFF beantragt. Aus den Umsätzen, die wir mit den Filmproduktionen machen, hat das Studio aber nur etwa 15 Prozent Wertschöpfung. Der Rest geht an die Filmindustrie, an große und viele kleine Firmen, fast ein Drittel an die Crew. Davon profitiert die Wirtschaft in Brandenburg und Berlin, Hotels, Autoverleihe und viele andere. Von den 130 Millionen Euro Umsatz, die wir mit den internationalen Produktionen gemacht haben, sind bei uns nur knapp 20 Millionen geblieben.
Die Wirksamkeit des DFFF wird derzeit ausgewertet. Hat das Studio seine Zahlen schon eingereicht?
Natürlich, alle Produzenten und Dienstleister haben ihre Zahlen eingereicht und die Evaluierung läuft. Aber klar ist schon jetzt, dass die internationalen Produktionen ohne den DFFF so sicher nicht zu uns gekommen wären. Damit sorgt der Fonds für zusätzliche Umsätze, zusätzliche Wertschöpfung. Ich glaube, dass unsere Zahlen die entscheidenden für den DFFF sein können - auch, wenn es um die Verlängerung des Förderprogramms geht: Schließlich hat in Babelsberg 2007 der Großteil des Wachstums in der deutschen Filmindustrie stattgefunden.
Wie sehr hängt damit der Babelsberger Erfolg allein vom DFFF ab?
Mit dem DFFF ist der Standort Deutschland für Filmproduzenten jetzt erstmals wettbewerbsfähig. Wir haben in Babelsberg mit „Valkyrie“, in dem Tom Cruise Hitler-Attentäter Stauffenberg spielt, einen Film gehabt, der unter Berücksichtigung von Authentizitätsgründen nur in Deutschland gedreht werden kann
... er wäre also auch ohne Filmförderfond nach Babelsberg gekommen ...
ein Film wie „Speed Racer“ dagegen, der vor allem in unseren Hallen gedreht wurde, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit ohne den DFFF nicht hier gelandet. Auch der Thriller „The International“ ist vor allem hier entstanden, weil Regisseur Tom Tykwer das so wollte. Ob er ohne den DFFF überhaupt produziert worden wäre, kann man zumindest bezweifeln.
Der DFFF läuft noch dieses und das nächste Jahr. Was geschieht danach in Babelsberg?
Ich meine, der Erfolg gibt uns Recht. Die Auswertung des DFFF wird so positiv ausfallen, die Zahlen werden so beeindruckend sein, dass der Bundesfinanzminister bereit sein wird, auch für die Folgejahre Geld bereitzustellen. Dies wird wohl noch in dieser Legislaturperiode passieren. Alle Äußerungen aus der Politik gehen bisher in diese Richtung.
Weniger berechenbar sieht die Lage in den USA aus. Seit mehr als drei Monaten streiken die Drehbuchautoren, TV-Sendungen, Filme und Galas mussten abgesagt werden. Leidet auch Studio Babelsberg darunter?
Der Streik hat Einfluss, aber wir sehen einen Silberstreif am Horizont. Wir haben das erste US-Filmprojekt für 2008 relativ sicher an der Angel, die Arbeiten werden sehr bald beginnen. Natürlich hoffen wir, dass es schnell eine Einigung mit den Drehbuchautoren gibt und dass sich die Schauspieler, die ab Juli ebenfalls mit Streik drohen, dieser anschließen.
Zeitweise hieß es, das Studio Warner Bros. wolle konstant in Babelsberg produzieren – auch, um den Standort zu stärken und Kompetenzen zu fördern.
Wir sind froh, und das hat das vergangene Jahr gezeigt, dass wir für alle großen Studios interessant sind. Auch Warner hat uns signalisiert, dass sie sehr zufrieden sind mit unserer Arbeit. Solange das so ist, werden wir wohl auch weiter Aufträge von Warner bekommen. Daneben überlegen wir, wie wir eines oder mehrere der großen US-Studios langfristig an uns binden können.
Wie geht das?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel können wir uns aktiv mit Geldern beteiligen. Dazu sind wir in guten Gesprächen.
Geht es dabei um die Finanzierung von Filmen? Hier ist Studio Babelsberg ja bereits mit eigenem Geld jenseits von Fördermitteln eingestiegen.
Nein, wir bereiten eine so genannte „Slate“-Finanzierung in großem Rahmen vor. Das heißt, dass wir uns an einem Film-Paket eines US-Studios, das 500 Millionen Dollar oder mehr umfassen kann, beteiligen.
Sie steigen bei einem Hollywood-Studio ein, um Aufträge für Babelsberg zu sichern?
Genau das ist das Kalkül, wenn wir den Sprung nach Amerika wagen. Es heißt nicht, dass alle Filme eines „Slates“ hier produziert werden können. Aber man kann davon ausgehen, dass zumindest Filme mit einem hohen Studioanteil in Babelsberg entstehen.
Gibt es Interessenbekundungen der US-Studios, dieses Geschäft mit Babelsberg zu machen – oder geht es letztlich nur um Geld?
Natürlich spielt das Geld hierbei eine wichtige Rolle. Ein wichtiger Faktor ist jedoch, wie gut man hier produzieren kann. Wir haben herausragende Crews, sehr gute Drehbedingungen, Potsdam und Berlin sind drehfreundliche Städte. Aber am Ende des Tages ist entscheidend, wo der Film am günstigsten produziert werden kann. Wir beobachten deshalb mit zunehmender Nervosität die Entwicklung des Dollarkurses - wobei daran noch positiv ist, dass es eine Dollar-Schwäche und keine Euro-Stärke ist und damit weltweit alle Produktionsstandorte betrifft.
Stichwort herausragende Crews: Sie sollen 2007 eine Produktion abgesagt haben, weil qualifiziertes Personal fehlte.
Das war tatsächlich so. Der Film wurde dann gar nicht gedreht. Für uns ist entscheidend, dass wir unseren guten Namen in Hollywood halten. Das können wir nur, wenn wir überzeugt sind, dass eine Crew auf internationalem Standard arbeiten kann. Im vergangenen Jahr hatten wir in der Region aber so viele Produktionen - 30 bis 40 Prozent mehr als sonst - dass alle Filmschaffenden voll ausgelastet waren.
Die Babelsberger Studiohallen waren 2007 zu mehr als 100 Prozent ausgelastet, es mussten Zusatzflächen gemietet werden. Wird sich das Studio erweitern?
Nein. Wir glauben, dass wir sehr gut aufgestellt sind. Wir werden nicht Geld in die Hand nehmen, um neue Studios hochzuziehen, weil wir wissen, wie schwer es ist, sie auszulasten.
Jüngst wurde im ehemaligen Lok-Zirkus auf dem Gelände an der Wetzlarer Straße für Dreharbeiten das New Yorker Guggenheim Museum nachgebaut. Wird das Studio das marode Gebäude weiterhin anmieten?
Wir würden gerne weiter darin drehen und sind in Gesprächen mit dem Eigentümer Gewerbe im Park. Mit der Stadt Potsdam reden wir darüber, ob wir eine Genehmigung für die Nutzung bekommen. Sollten die Investitionskosten zu hoch sein, würden wir von dem Vorhaben Abstand nehmen.
Werden Sie 2008 überhaupt am Standort investieren?
Kaum. Wir konzentrieren uns darauf, unsere Beteiligung an dem Film-Paket eines US-Studios zu finanzieren. Das ist sehr kompliziert und kann noch ein Jahr in Anspruch nehmen. Darüber hinaus entwickeln wir eigene Filmstoffe. Dahin wird ein Großteil unserer Investitionen fließen.
Das ist neu: Studio Babelsberg produziert und entwickelt eigene Filme?
Wir haben uns schon bei den Koproduktionen des vergangenen Jahres die Drehbücher sehr genau angeschaut. Bei der Verfilmung des Romans „Der Vorleser“, die noch läuft, sind wir bereits alleiniger Produzent. Eigene Stoffe verfolgen wir seit rund einem Jahr. Das tun wir aber ganz in Ruhe, wir haben keinen Druck.
Für die Studio-Tochter Central Scope Productions haben Sie vor einem Jahr großes Wachstum prognostiziert. Ist es eingetroffen?
Wir hatten bei Central Scope in Potsdam im vergangenen Jahr im Durchschnitt 300 und in der Spitze 650 zeitlich befristet eingestellte Mitarbeiter. Es wurden ja teilweise fünf Filme parallel produziert, die meisten mit eigener Crew. Damit hat sich Central Scope weit über unseren Erwartungen entwickelt.
Die private Hochschule German Film School, die deutschlandweit einmalig Spezialisten für digitale Filmbearbeitung ausbildet, musste im November Insolvenz anmelden. Wird Studio Babelsberg sie retten und in die Potsdamer Medienstadt holen?
Wir haben das Gefühl, dass es nach einem Film-Erfolgsjahr 2007 in der Region keine schöne Meldung wäre, wenn die German Film School in die Insolvenz gehen würde. Ihre Abgänger haben in der Industrie einen sehr guten Ruf. Es ist nicht ganz leicht, aber wir versuchen, mit dem Land Brandenburg, dem Medienboard Berlin-Brandenburg und einem weiteren Partner eine Lösung zu finden.
Warum liegt dies im Interesse des Studios?
Wir würden uns wünschen, dass die Studenten ihre Ausbildung abschließen können und sind darüber hinaus mit vielen Partnern im Gespräch, was die Ansiedlung einer Akademie für Visual Effects in Babelsberg angeht. In der Filmbranche ist ein wichtiger Faktor, das Know-how in digitaler Filmbearbeitung – den Visual Effects – am Drehstandort zu haben. Da steckt Deutschland noch in den Kinderschuhen. Man könnte noch keinen großen Film komplett hier bearbeiten lassen. Die Entscheidung zur German Film School wird sehr schnell fallen, spätestens bis Ende Februar. Es ist noch unklar, wer für die Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit gerade steht.
Im Vergleich weniger kompliziert war es wohl, die neue Hauptdarstellerin für den Film „Der Vorleser“ zu finden, nachdem Nicole Kidman wegen ihrer Schwangerschaft abgesagt hat. Ist „Titanic“-Legende Kate Winslet mittlerweile fest besetzt?
Das können wir offiziell noch nicht bestätigen.
Klar ist aber, dass die neue Hauptdarstellerin auch in Potsdam drehen wird?
Die Hauptdarstellerin wird in jedem Fall in Berlin und Görlitz drehen. Ob wir in Babelsberg arbeiten, wissen wir noch nicht genau.
Donnerstagabend beginnen in Berlin die Internationalen Filmfestspiele. Welche Bedeutung haben sie in diesem Jahr für Studio Babelsberg?
Seit Dieter Kosslick die Berlinale leitet, wird sie immer mehr auch zu einem Markt für Produzenten – und damit für uns immer wichtiger. Mittlerweile kann man in Berlin während der Festspiele internationale Filme für den Standort akquirieren. Diese Entwicklung war vor wenigen Jahren kaum absehbar.
Wie setzt das Studio zur Berlinale eigene Akzente?
Wir sind sehr stolz auf unser Sonderheft des Kunst- und Kulturmagazins „The Manipulator“. Es ist ein hochklassiges Magazin nicht nur für Babelsberg, sondern für die ganze Filmregion. Wir gehen davon aus, dass das Heft auf große Aufmerksamkeit treffen wird und in Europa und den USA für den Standort Berlin-Brandenburg werben kann. Wir werden das Magazin, das wir in einer Auflage von 10 000 Stück gedruckt haben, auch in Los Angeles verteilen, es wird in jedem Studio liegen. Alle Menschen dort, die darüber entscheiden, wohin Filmproduktionen gehen, werden den „Manipulator“ haben.
Das vom Studio koproduzierte und weitgehend in Babelsberg gedrehte KZ-Drama „Die Fälscher“ ist für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert. Wen schickt Studio Babelsberg Ende Februar zur Verleihung nach Hollywood?
Wir sind sozusagen turnusmäßig vor Ort – aber zur Verleihung selbst sind die Produzenten ja bekanntlich nicht eingeladen, leider. Es gibt lediglich vier Karten, die bekommt der Regisseur Stefan Ruzowitzky für sich, seine Frau und zwei Schauspieler. Doch wir sind in Hollywood und werden eine kleine Party machen.
Wie groß sind die Oscar-Chancen für „Die Fälscher“?
Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Film den Oscar gewinnt!
Das Interview führte Sabine Schicketanz
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