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Landeshauptstadt: Das Wohngefühl der Jugendstilzeit

In der Carl-von-Ossietzky-Straße wurden bei der Sanierung sogar seltene Lincrusta-Tapeten erneuert

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In der Carl-von-Ossietzky-Straße wurden bei der Sanierung sogar seltene Lincrusta-Tapeten erneuert In zwei Verschlägen unter der Treppe hat Restaurator Lutz Peter die Reste der ursprünglichen Ausmalung entdeckt. Die Flure der 1904/05 erbauten Jugendstilhäuser in der Carl-von-Ossietzky-Straße 18 und 19 zeigten in kräftigen Farben Blumenbänder, an der Decke ähnliche Ornamentik und Stuckarbeiten in Goldtönen. Der Sockelbereich wurde mit so genannten Lincrusta-Tapeten beklebt, als Muster eine bändergeschmückte stilisierte Hecke. All diese Schätze waren durch vielfaches Überstreichen nicht mehr erkennbar – zur Freude des Restaurators bestand der Bauherr, die Sax Concept Tübingen, aber darauf, sie bei der jetzt abgeschlossenen Sanierung der Gebäude wiederherzustellen. Die Blumenbänder sind durch Schablonenmalerei entstanden. Um die verschiedenen Farben aufzubringen, wurden nacheinander bis zu acht Schablonen aufgelegt – ein hoher Aufwand. Lutz Peter, der Anfang der 80er Jahre an der Potsdamer Fachschule für angewandte Kunst studiert hat und nach Anstellung bei einem Berliner Denkmalpflegebetrieb seit 1995 freiberuflich als Restaurator tätig ist, beherrscht diese Technik und konnte so die Blumenfriese in alter Schönheit erneuern. Glücklicherweise führen einige Künstlerbedarfsläden noch heute die für die Schablonenmalerei notwendigen Folien und Schneidemesser. Auch die Stuckelemente der Decken erhielten ihre Goldfarbe zurück. Erstmals hatte der erfahrene Restaurator dagegen mit Lincrusta-Tapeten zu tun. Sie waren 1788 in England entwickelt und patentiert worden – später wurden sie auch in Deutschland hergestellt, mussten aber den Zusatz „Imitat“ tragen. Die lederartigen – aber dennoch aus Papierschichten bestehenden – Tapeten zu beschaffen, war gar nicht einfach. Schließlich fand man in England einen Hoflieferanten, der sie noch heute produziert. Die Wiederherstellung der Tapeten und die Ausmalung der Flure setzt bei der denkmalgerechten Sanierung der beiden Jugendstilhäuser das Tüpfelchen aufs I . Vom hergerichteten schmiedeeisernen Zaun und dem nach historischem Vorbild erneuerten Vorgarten über die Türen, deren Bauholz durch Holzimitatmalerei zu Mahagoni oder Eiche aufgeschmückt wurde, die Treppengeländer und die Bewahrung der wenigen noch gebliebenen Buntglasfenster im Treppenhaus bis zu den Türklopfern vermitteln die Gebäude das Wohngefühl der Jugenstilzeit. „Darüber würde sich auch Dr. Richard Mand freuen“, denkt Lutz Peter an den leider bereits verstorbenen Gründer des Jugendstilvereins Brandenburger Vorstadt zurück, der die Schönheit der Bauten in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgeholt hat. Ihren reichen Schmuck hatten sie seinerzeit erhalten, weil die Bauherren als Mieter gut situierte und damit anspruchsvolle Beamte gewinnen wollten. Inzwischen sind in den stillen Straßen zahlreiche Bauten der Jugendstilzeit originalgerecht restauriert worden. Vor den Zäunen stehen Dutzende Fahrräder, junge Frauen schieben Kinderwagen aus dem Flur. In die Carl-v.-Ossietzky-Straße 18/19 zogen nach Abschluss der Bauarbeiten mehrere Stammbewohner zurück – Indizien, dass die Mieten trotz der Sanierung bezahlbar geblieben sind.

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