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Landeshauptstadt: „Das ziehen wir durch“

Die fünf klagenden Potsdamer Ortsteile denken nicht an Rücknahme der Verfassungsbeschwerden gegen die Zwangseingemeindungen / Gericht will 2005 entscheiden / Kosten für Potsdam befürchtet

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Die fünf klagenden Potsdamer Ortsteile denken nicht an Rücknahme der Verfassungsbeschwerden gegen die Zwangseingemeindungen / Gericht will 2005 entscheiden / Kosten für Potsdam befürchtet Von Günter Schenke Die fünf Potsdamer Ortsteile, die gegen die Eingemeindungen geklagt haben, denken nicht daran, ihre Beschwerde zurückzunehmen. „Ich wüsste nicht, warum“, sagt Claus Wartenberg, Ortsbürgermeister von Fahrland. Die Gründe, die Anlass der Klage waren, bestünden nach wie vor. Ein Jahr nach der Zwangseingemeindung kochen die Emotionen immer noch hoch. „Wir werden sehen, ob die Willkür über dem steht, was das Volk will“, so Wartenberg zum Klageverfahren. Das Brandenburger Verfassungsgericht wolle 2005 über die rund 130 kommunalen Beschwerden gegen die Neugliederung der Gemeinden „weitgehend“ entscheiden. Das kündigte die Präsidentin des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg, Monika Weisberg-Schwarz an. Die Verfahren im Zusammenhang mit den kreisfreien Städten Cottbus und Potsdam dürften dabei von besonderem Interesse sein. So gibt es in Potsdam die Besonderheit, dass die Gemeinden Marquardt, Uetz-Paaren, Fahrland und Satzkorn eine Großgemeinde mit eigenem Amt bilden wollten. Mit über 5000 Einwohnern wäre diese verfassungskonform gewesen. Der Marquardter Ortsbürgermeister Dietrich Menzer hält dies nach einem Jahr Erfahrung mit Potsdam nach wie vor für die bessere Lösung. Die Eingemeindung sei mit großen Nachteilen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden: höherer Steuern, 90 Prozent Beteiligung an der Straßenunterhaltung, Kosten für den Winterdienst und anderes. Der Verwaltungsgang sei viel langwieriger. Aber die Hauptkritik richtet sich gegen die Missachtung der Demokratie. Menzer erinnert daran, dass sich in Marquardt 80 Prozent der Bewohner gegen die Eingemeindung ausgesprochen hatten. „Das war keine Demokratie“, sagt der Ortsbürgermeister zu den gegen das Bürgervotum geschaffenen Tatsachen. „Innenminister Schönbohm gibt den Ton an und die anderen sind zu schwach, um ihm Paroli zu bieten“, so Menzer. Die Mitwirkung in den Dörfern sei „platt gemacht worden“, bedauert er. An den Ausgang des Klageverfahrens knüpfe er jedoch kaum Erwartungen, obwohl es nach seiner Auslegung der Landesverfassung keine Zwangseingemeindungen hätte geben dürfen. „Wir werden noch einmal richtig vom Leder ziehen“, kündigt er an. Auch Andre Haufe, Ortsbürgermeister in Satzkorn, lehnt jedes Einlenken ab: „Das ziehen wir vor Gericht durch“. Er habe die Hoffung nicht ganz aufgegeben. Satzkorn hatte, anders als Marquardt, mit der Stadt Potsdam gleichsam in letzter Minute die Eingliederung unterschrieben und so für eine Übergangsfrist von fünf Jahren die Steuervorteile gesichert. „Die Nachteile kommen in fünf Jahren“ und schon jetzt sei zu erkennen, dass sich die Stadt nur wenig für die neuen Ortsteile interessiere. So habe der Friedrichspark bisher nicht die Priorität eins bei der Bauleitplanung erhalten. Der Ortsbürgermeister von Uetz-Paaren, Hans Becker, sieht den Ausgang des Verfahrens pessimistisch. Trotzdem denkt er nicht daran, die Klage zurückzunehmen. „Dazu haben wir zu viel Federn gelassen.“ Im Übrigen gehe das auch rein verfahrenstechnisch nicht, da die alten Ortsvertretungen nicht mehr existent und die neuen Vertretungen für eine Rücknahme nicht legitimiert seien. Ähnlich äußert sich die Rechtsexpertin der Stadtverwaltung, Adelheid Calek: Einer Rücknahme der Klagen sei allenfalls durch eine Bürgerversammlung denkbar. Zwar sei die Zusammenarbeit mit den neuen Ortsteilen im Moment gut, doch sei eine Klagerücknahme eher unrealistisch. Jede der ehemaligen Gemeinden kriegt ein separates Verfahren. Auch die ehemalige Gemeinde Golm, deren Ortsbürgermeister Ulf Mohr sich zu einem möglichen Ausgang des Rechtsstreites nebulös äußert: „Es wird anders kommen als mancher denkt.“ Über eine mögliche Rücknahme der Klage von Golm wollte er sich gegenüber den PNN weder zustimmend noch ablehnend äußern. Mit den Verfahren vor dem Verfassungsgericht entstehen Kosten. „Der Unterlegene muss die Kosten tragen“, sagt Calek und sieht Forderungen auf die Stadt Potsdam, die Rechtsnachfolgerin der vor Gericht ziehenden Gemeinden ist, zukommen. Zur möglichen Rückabwicklung einzelner Gemeinden sagt sie: „Wir hoffen, dass es nicht dazu kommt, denn das Auseinander-Dividieren ist schwieriger als das Zusammenfügen.“

Günter Schenke

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