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Landeshauptstadt: Das zweite Leben

Vier Potsdamer überlebten Flugzeugabsturz in den Alpen – und können ihr Glück kaum fassen

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Vier Potsdamer überlebten Flugzeugabsturz in den Alpen – und können ihr Glück kaum fassen Von Sabine Schicketanz „Für uns alle vier hat am Sonntag das zweite Leben begonnen“, sagt Dr. Ingolf Mertens. Mit einer Fraktur am ersten Lendenwirbel liegt er an diesem Dienstagnachmittag daheim in Potsdam. Nur etwas mehr als 48 Stunden zuvor saß der Potsdamer Augenarzt am Steuer des einmotorigen Flugzeugs „Robin DR 400“, brachte die Maschine auf dem Flugplatz Samedan bei St. Moritz in der Schweiz in die Luft. Direkt neben ihm im Cockpit Dr. Boris Zibell, Hals-Nasen-Ohren-Arzt aus Potsdam, dahinter Zahnarzt Dr. Peter Daniel und Joachim Koetz, Chemieprofessor an der Uni. Das Wetter ist relativ gut, die Reiseroute berechnet. Mertens hat seinen Flugschein seit zehn Jahren, er hat viel Erfahrung. Doch plötzlich, eine Viertelstunde nach dem Start, verliert die Maschine an Höhe. „Irgendwie schaffen wir das, haben wir gedacht“, sagt Mertens. „Keiner hatte eine Todesahnung.“ Doch sie schaffen es nicht. Mit hoher Geschwindigkeit kommt die „Robin“ auf einem verschneiten Bergmassiv auf. „Ich habe versucht, die Maschine halbwegs heil zu Boden zu kriegen“, so der Pilot. Die Sekunden des Aufpralls: „Es bricht und kracht, man hat das Gefühl, jetzt ist Schluss.“ Dann absolute Stille. „Sind alle am Leben?“, sind Mertens erste Worte danach. Sie sind es, wie durch ein Wunder. Alle vier können das Flugzeug verlassen, sie bringen sich in Sicherheit, denn die halb zerborstene Maschine ist voll getankt. Mertens wählt auf seinem Handy die 112, die Verunglückten ziehen sich warme Sachen an. „Sehr mechanisch“ habe man dies alles getan, fast ohne zu realisieren, was geschehen war, sagt Dr. Peter Daniel. Nur eine gute Viertelstunde später treffen zwei Hubschrauber am Unglücksort nahe Pontresina in 2200 Meter Höhe ein, bringen die nur leicht Verletzten ins Spital Oberengadin. „Die Ärztin der Hubschraubercrew war so glücklich, dass wir überlebt haben, sie hätte uns am liebsten alle umarmt“, sagt Daniel. Vier- oder fünfmal im Jahr müsse sie zu Absturzstellen ausrücken, „aber nur, um die Totenscheine auszustellen“, habe die Ärztin gesagt, so Mertens. Wie viel Glück sie hatten, wird den vier Potsdamern erst im Krankenhaus bewusst, wo sie alle auf einem Zimmer liegen. Der Schnee, der die Bruchlandung weich ausfallen ließ, hatte ihnen geholfen. „Aber man hatte nicht das Gefühl, dass man das alleine geschafft hat“, sagt der Pilot. Es sei ein seltsames Gefühl gewesen, als er kurz nach dem Crash den kleinen Tonengel, ein Geschenk seiner Tochter, aus dem Flugkoffer ausgepackt hatte. „Er sollte mich beschützen.“ Jetzt werde er, sagt Mertens, „die Fliegerei für viele Jahre an den Nagel hängen“. Hätte auch nur einer seiner Freunde nicht überlebt, „wie soll man da weiterleben?“ Dort, auf dem Berg, hätten sie alle an ihre Familien, die Ehefrauen und die Kinder gedacht. „Sie haben sehr gelitten“, so Daniel. Die Frauen hätten sich am Sonntagabend getroffen, über den so nahen Tod gesprochen. „Es hätten vier Witwen seien können.“ Tränenreich war der Empfang auf dem Berliner Flughafen spät am Montagabend. Doch das Erlebte, das Überleben, hat die vier Freunde auch „unwahrscheinlich zusammengeschweißt“. Den 6. März, ihren zweiten Geburtstag, wollen sie von nun an gemeinsam feiern, sagt Daniel. „Wir haben eine Chance bekommen, Dinge anders zu machen.“

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