zum Hauptinhalt

Von Günter Schenke: DDR-Umweltgruppen unterm Kirchendach Dokumentarische Ausstellung im Haus der Natur Zeitzeugen berichten über die Aufbruchzeit

Einsam steht ein bärtiger junger Mann mit langem Haar und umgehängter Kamera auf der Anhöhe einer weiten und wüsten Industrielandschaft: Siegbert Schelfke auf der Halde in Johanngeorgenstadt. Das Foto stammt aus dem Jahre 1987.

Stand:

Einsam steht ein bärtiger junger Mann mit langem Haar und umgehängter Kamera auf der Anhöhe einer weiten und wüsten Industrielandschaft: Siegbert Schelfke auf der Halde in Johanngeorgenstadt. Das Foto stammt aus dem Jahre 1987. Es gehört zur Ausstellung „Pflanzzeit“, die derzeit im Haus der Natur in der Lindenstraße 34 zu sehen ist.

Der Fotograf gehört zur „Arche“, dem grünen Netzwerk der evangelischen Kirche, das zwei Jahre später in fast allen Regionen der DDR vertreten war. Die meist jungen Aktivisten dokumentierten damals die katastrophale Umweltzerstörung des sozialistischen Staates, an deren Grundfesten sie damit rüttelten.

Die Ausstellung im Treppenhaus des Hauses der Natur dokumentiert die zahlreichen Aktivitäten vor allem in den späten achtziger Jahren auf 30 Schautafeln. Gemacht hat diese Schau Michael Beleites – vor neun Jahren. In Potsdam waren die Dokumente bisher noch nie zu sehen. Regine Auster, Geschäftsführerin im Haus der Natur, sah die Tafeln in Pankow und erinnerte sich jetzt, dass sie gut zu der im Hause laufenden Gesprächsreihe „Aufbruch 89“ über die Umweltbewegung in der DDR passen würde.

Zur Ausstellungseröffnung Donnerstagabend ließ Moderator Hellmut Henneberg einige Aktive von damals sowie den ehemaligen Generalsuperintendenten der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg Günter Krusche zu Wort kommen. Fast alle haben Beziehungen zu Potsdam. So erzählte Christian Grauer von den Zusammenkünften im „Keller der Erlöserkirche“ und der Aktion, rauchgeschädigte Tannenbäume aus dem Erzgebirge in Potsdamer Kirchen aufzustellen. Auch Carlo Jordan, der in der berühmten Umweltbibliothek in der Berliner Zionskirche tätig war, hat seine Wurzeln in Potsdam. Er filmte unter anderem im Jahre 1987 den rauchgeschwängerten Himmel über Berlin für eine Monitor-Sendung der ARD.

Beleites, der heute Stasi-Unterlagen- Beauftragter in Sachsen ist, erinnerte an die „Gesellschaft für Natur und Umwelt“, die es ab 1980 im Kulturbund der DDR gab, an die Arbeitsgruppen „Stadtökologie“ und die darin tätige Potsdamer Argus-Gruppe, die heute noch existiert. „Für die gravierenden Umweltsauereien war im Kulturbund kein Platz, deren Aufarbeitung konnten nur die kirchlichen Umweltgruppen leisten“, schätzt Beleites rückblickend ein.

Nicht immer konfliktfrei verlief der Prozess innerhalb der Kirche wie einem Disput zwischen Krusche, Jordan, Maria Nooke von der Stiftung Berliner Mauer und Rosemarie Benndorf aus dem Umweltbundesamt Dessau zu entnehmen war. So ging Krusche offenbar der manipulierten DDR-Information auf den Leim, dass die Umweltbibliothek über moderne Offsetmaschinen verfüge, was den DDR-Gesetzen widersprochen hätte.

Grauer war wie auch Yves Albert Möller aus Potsdam kurzzeitig wegen seines Engagements in der DDR inhaftiert, warnte vor einer „Mythologisierung“ der kirchlichen Umweltbewegung. Es waren bescheidene Aktionen in Hermannswerder, eine Radsternfahrt, Papiersammeln in der Klement-Gottwald-Straße. Selbst die Gemeinden machten die Umweltproblematik nicht zum Thema. Am Ende stand für Grauer, der heute Richter in Cottbus ist, die bittere Erkenntnis: „Ich verbrenne mich hier, ohne für andere was zu erreichen“.

Dem widersprachen die anderen Teilnehmer der Gesprächsrunde. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es die verpestete Luft in Bitterfeld und in der Lausitz samt der DDR heute nicht mehr gibt“, bringt es Maria Nooke auf die einfache Formel. Das Kulturradio vom RBB sendet die Diskussion am 10. März um 22. 04 Uhr

Günter Schenke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })