Landeshauptstadt: DDR-Zeugs ist wenig gefragt
Vieles geht aber im vereinsgeführten „Kramland“ weg wie warme Semmeln
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Vieles geht aber im vereinsgeführten „Kramland“ weg wie warme Semmeln Von Hella Dittfeld Was sich in der Knobelsdorffstraße 7 angesammelt hat, ist mehr als ein „Kramland“. Man kann sich dort von Küche bis Plüschsofa komplett einrichten und findet auch noch Topf und Tasse und etwas für den Bücherschrank dazu. Sogar einkleiden kann man sich. Die Sachen stammen aus Haushaltsauflösungen oder von Spendern, die etwas loswerden wollen, weil schon Neues anrollt. Anruf genügt und die Mitarbeiter von Kramland rücken an, um das Angebotene zu begutachten. Einige Dinge, vor allem neueren Datums, sind sehr begehrt und halten sich nicht lange im Vereinslager. Auch Hausrat wechselt gern und schnell den Besitzer. DDR-Zeugs ist laut Kramland- und Möbeldienst- Projektleiter Reinhard Berghofer dagegen weniger gefragt. „Wir müssen deshalb auch mal nein sagen, wenn etwas unverkäuflich ist, dass wir abholen sollen. Die Sachen müssen schließlich wieder Liebhaber finden“, erläutert Berghofer seinen Dienst am Kunden. Seit Dezember 2002 ist er für die beiden gemeinnützigen Vereine Rückenwind und Arbeits- und Sozialprojekte Brandenburg tätig und organisiert „Kramland“ wie Möbeldienst. Davor dümpelte dieser Bereich eher vor sich hin. Nun hat der ehemalige Elektroingenieur Schwung in den Laden gebracht, zuerst auf einer vom Arbeitsamt geförderten SAM-Stelle, später dann fest vom Verein angestellt. Mit 53 Jahren war er arbeitslos geworden, hatte zu Hause herumgewerkelt, was er ziemlich einsam und unbefriedigend fand, hatte als Langzeitarbeitsloser eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben und durfte schließlich doch neu durchstarten. Mit Erfolg. Kramland und Möbeldienst tragen sich inzwischen finanziell selbst und beschäftigen insgesamt acht Leute. Fünf haben – ebenfalls von der Agentur für Arbeit vermittelt – eine SAM-Stelle bekommen, drei leisten ehrenamtliche Arbeit beziehungsweise sind geringfügig Beschäftigte. Und noch von anderer Seite gibt es Unterstützung: So mancher, der eine vom Gericht ausgesprochene Geldstrafe lieber als gemeinnützige Arbeit „bezahlt“ wird zum zeitweiligen Helfer. Vom „schwierigen Typen“, der alles versoffen habe bis zum wirklich Hilfswilligen kämen da die unterschiedlichsten Leute an, meint Berghofer.Offenbar hat er für sie ein gutes Händchen, denn „viele finden bei uns so etwas wie eine zweite Heimat und packen weiter mit an, wenn ihre Sozialstunden längst abgeleistet sind“, stellt ihnen Berghofer ein liebevolles Zeugnis aus. Gemeinsam anderen beim Kramen helfen, Aussiedler, Sozialhilfeempfänger oder Studenten bei der Ausstaffierung von Zimmer und Wohnung beraten, das verbindet. Es darf aber auch jeder andere stöbern und sich etwas holen. Wer keinen Schein vom Sozialamt hat, das dann bei Einkauf zahlt, der muss aus eigener Tasche berappen. Doch die Preise sind gering und der Einkauf immer noch ein Schnäppchen. Das meinte auch eine Käuferin, die sich eigentlich nur ins „Kramland“ verirrt hatte. Sie kaufte Bücher. Zu ihrer Person wollte sie allerdings nichts sagen, ein bisschen geniert man sich eben doch, beim Second-Hand-Einkauf erwischt zu werden. Auch das Pärchen, das durch die Räume schlendert und Sozialhilfe bezieht, winkt ab, will sich nicht äußern. Es sucht für die Einrichtung der Wohnung passende Gegenstände aus. Auf technische Geräte wie Fernseher Kühlschränke oder Waschmaschinen gibt es die übliche Einjahresgarantie. „Wir prüfen natürlich, ob die Geräte bei Abholung in Ordnung sind. Doch man steckt nicht drin“, meint Berghofer. Geht der Kühlschrank schneller kaputt als erwartet, darf sich der Kunde einen neuen aussuchen. Das Kramland-Team übernimmt übrigens auch Haushaltsauflösungen und sortiert dort aus, was noch brauchbar ist. Das Ausräumen und die Entsorgung müsse allerdings bezahlt werden, erläutert Berghofer. Das Gebäude in der Knobelsdorffstraße ist für die beiden Vereine im Moment ein praktischer Unterschlupf. Auf 100 Quadratmetern kann sich „Kramland“ und auf insgesamt 1200 Quadratmetern das Möbel- und Hausgerätesortiment präsentieren. Das Haus, das einmal eine Kita war, als Bürgerhaus ausgebaut werden sollte und noch immer der Stadt gehört, steht schon seit längerem zum Verkauf. Findet es einen neuen Eigentümer, bläst sicher ein anderes Lüftchen für den Rückenwind e.V., der dann wohl mit Kündigung rechnen muss. H. Dittfeld
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