Homepage: Debatte um Erinnerung an SED-Diktatur Publikation zur Sabrow-Kommission
Treibgut schwimmt vor sich hin, bis es strandet, irgendwo. Oder untergeht.
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Treibgut schwimmt vor sich hin, bis es strandet, irgendwo. Oder untergeht. Droht auch die DDR-Erinnerung ziellos umherzuirren, wie das soeben erschienenes Buch fragt? „Wohin treibt die DDR-Erinnerung?“ (ISBN: 978-3525362 990) ist das Buch zu einer Debatte, die im vergangenen Jahr Öffentlichkeit und Fachwelt gleichermaßen gehörig aufwirbelte. Noch zu Zeiten von Rot-Grün hatte die damalige Kulturstaatsministerin Christina Weiß eine Expertenkommission mit dem Auftrag berufen, ein Gesamtkonzept für einen dezentral organisierten Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zu entwickeln.
Nach einjähriger Arbeit hat die von Martin Sabrow, Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), geleitete Kommission aus Fachhistorikern, Bürgerrechtlern und Publizisten eine Expertise ausgearbeitet. Doch schon im Vorfeld der öffentlichen Präsentation ihres Votums und einer Anhörung im Deutschen Bundestag im Frühjahr 2006 entzündete sich an den sich abzeichnenden Vorschlägen heftiger Streit.
Wochenlang tobte im Feuilleton wie auch in der Fachpresse eine heftige Auseinandersetzung um das so genannte „Sabrow-Papier“. In ungewohnter Schärfe, zuweilen mit einer heftigen Polemik, wurden Argumente für oder gegen die Empfehlungen ins Feld geführt. An der Zusammensetzung der Kommission wurde ebenso Kritik geübt wie an dem vorgeschlagenen Drei-Säulen-Modell für die Gestalt der Erinnerungslandschaft zur SED-Diktatur. Dieses sieht vor, den Schwerpunkten „Herrschaft – Gesellschaft – Widerstand“, „Überwachung und Verfolgung“ sowie „Teilung und Grenze“ eine „Kerninstitution“ zuzuordnen, die auf bestehende Einrichtungen etwa der Stiftung Aufarbeitung und der Birthler-Behörde zurückgreift. Man empfahl zudem, aus den Gedenkstätten in der ehemaligen Stasi-Zentrale Normannenstraße und der MfS-Haftanstalt Hohenschönhausen ein gemeinsames Forschungs- und Dokumentationszentrum „Diktatur und Geheimpolizei“ zu schaffen. Unmut erregte aber vor allem die Idee, in einem „Forum Aufarbeitung“ auch die „Alltagskultur“ stärker zu gewichten, sah das Expertengremium in der öffentlichen Dokumentation von DDR-Geschichte diese doch im Gegensatz zum Repressionscharakter des Regimes als unterrepräsentiert an. Kritiker wie der Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sprachen daraufhin von einer „DDR als Light-Version“.
Als der Band unlängst im ZZF vor dichtgedrängtem Publikum präsentiert wurde, nahmen einige der anwesenden Kommissionsteilnehmer noch einmal Stellung zur Kritik. Für Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, zielen die Einwände am erarbeiteten Votum vorbei. Von Beginn an seien Missverständnisse in die Debatte getragen worden. So ließe sich der Vorwurf, man würde den DDR-Alltag gegen ihren Diktaturcharakter ausspielen, an keiner Stelle der Empfehlungen herauslesen. Auch sei es, wie häufig falsch verstanden, überhaupt nicht um die DDR-Forschung gegangen, sondern um ganz andere Fragen. Etwa wie sich angesichts enger finanzieller Spielräume bestehende Einrichtungen stärker miteinander vernetzen und professionalisieren lassen.
In dem nun vorliegenden Band finden sich das Votum, das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung sowie zusätzliche Stellungnahmen. Man darf es den Herausgebern – der Kommission – anrechnen, dass sie zusätzlich die in der Öffentlichkeit geführte Debatte durch den Abdruck der wichtigsten Positionen in der Presse wie auch den wissenschaftlichen Fachzeitschriften wiedergibt. Inwieweit die Empfehlungen der „Sabrow-Kommission“ tatsächlich umgesetzt werden, ist noch offen. Carsten Dippel
Carsten Dippel
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