zum Hauptinhalt

Von Jana Haase: Defa-Filme im Bunker

Der Potsdamer Regisseur Rainer Simon war zehn Wochen auf Vortragsreise in Kanada und den USA

Stand:

Der Bunker wurde gebaut, als man den dritten Weltkrieg erwartete. Heute lagern dort rollenweise Defa-Filme. Und zwar atombombensicher. Mit etwa 400 Filmen ist die „Defa Film Library“ in Amherst/Massachusetts die größte Sammlung von Defa-Filmen außerhalb Deutschlands – und das einzige Archiv ostdeutscher Filme außerhalb Europas, wie es auf der Internetseite heißt. „Den Atombunker haben die Amis zur Zeit der Kubakrise für den Generalstab der Armee gebaut“, berichtet Rainer Simon. Der Potsdamer Regisseur („Die Frau und der Fremde“) ist gerade von einer zehnwöchigen Vortragsreise durch die USA und Kanada zurück. Eingeladen hatte ihn die an der University of Massachusetts angeschlossene Defa-Film-Bibliothek.

Dass diese Bibliothek überhaupt existiert, sei vor allem dem Germanisten und Filmwissenschaftler Barton Byg zu verdanken, berichtet Simon. „Er hat sich schon vor der Wende für die Defa interessiert“, erzählt der Regisseur. Als nach der Wiedervereinigung 1990 die Botschaften und Kulturinstitute der DDR abgewickelt wurden, habe Byg die dort reichlich vorhandenen 35-Millimeter-Kopien der Defa-Filme gesichert: „Damit hat er sie gerettet“, meint Simon: „In vielen Ländern sind sie einfach vernichtet worden.“

Genau das Gegenteil geschah in Amherst: Die Film-Bibliothek verleiht heute nicht nur die Kopien der Defa-Streifen an Universitäten und Colleges, sie organisiert auch internationale Konferenzen und regelmäßige Sommerkurse zum ostdeutschen Film. Und sie lädt die Filmemacher ein, ihre Werke persönlich vorzustellen – wie in diesem Jahr Rainer Simon.

Insgesamt neun Filme zeigte der Berlinale-Preisträger bei seiner Tour durch 23 Universitäten und Goethe-Institute, die im kanadischen Waterloo begann und über Toronto und Montreal unter anderem nach Kansas, Dallas, Washington D.C., New York und Amherst/Massachusetts führte. Sechs Filme aus der Defa-Zeit, darunter der in der DDR verbotene „Jadup und Boel“ aus dem Jahr 1980 und „Die Besteigung des Chimborazo“ über die Südamerika-Expedition Alexander von Humboldts, und drei in Ecuador gedrehte Nachwende-Filme diskutierte Simon mit Studenten und Doktoranden an Germanistik- und Spanisch-Seminaren.

„Sie waren aufgeschlossen, haben aber auch nie widersprochen“, beschreibt der Potsdamer die Gesprächsrunden. Von der Geschichte der DDR sei den jungen US-amerikanischen Studenten allerdings so gut wie nichts bekannt gewesen: „Viele junge Leute haben nicht die geringste Ahnung von der DDR, sie wissen gar nicht, dass es sowas überhaupt gegeben hat“, erzählt Simon.

Also musste der 67-Jährige viele Fragen beantworten: Zum Leben in der DDR, zur Filmwirtschaft und der Entwicklung der Defa, zur Zensur und den Folgen. „Damals gab es die Zensur der Ideologen, heute die Zensur des Geldes“, sagt Simon.

Neue Filme will der Regisseur, dessen Film „Jadup und Boel“ auf der Berlinale 2009 in der Sonderreihe zum Mauerfall gezeigt wird, nicht machen – die Suche nach Geld sei ihm einfach zu frustrierend.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })