HFF-Absolvent auf der Berlinale: „Den Bildern eine Geschichte geben“
HFF-Meisterschüler Johannes M. Louis hat für zwei Filme, die zurzeit auf der Berlinale zu sehen sind, die Kamera geführt. Im PNN-Interview verrät er, inwieweit die Hochschule sein Handwerk geprägt hat.
Stand:
Herr Louis, was sehen Sie, wenn Sie zum Himmel schauen?
Graue Wolken, warum?
In den beiden Berlinale-Filmen, für die Sie Kamera geführt haben, sieht man immer wieder den Himmel, wie das Licht Farbe ins Grau der Wolken bringt.
Das war mir so gar nicht bewusst. Aber Sie haben recht. Für Athanasios Karanikolas Film „Echolot“ waren solche Bilder eine bewusste Entscheidung, um eine bedrückende Atmosphäre zu erzeugen. Wir haben im Herbst gedreht, wenn die Felder abgeerntet sind und die Wolken tief hängen. Die Farben braun und grau sind vorherrschend. Ich habe mich gefreut, wenn das Wetter mies war und der Boden matschig, das passte dann. Auf diese Stimmung habe ich mich eingelassen.
Wie stark bringen Sie sich als Kameramann in einen Film ein?
Im Idealfall ergänzt man sich. Als wir am Drehort angekommen sind, habe ich mir erst einmal die Kamera genommen und habe Bilder von der Landschaft gemacht. Das floss dann auch in den weiteren Film mit ein. Wir waren ein ganz kleines Low-Budget-Team, nur Regie, Kamera und Ton und die Darsteller. Der Film entstand während des Drehs, ähnlich wie Andreas Dresen seine Filme macht. Es gab einen roten Faden, aber kein Drehbuch. Am Anfang gab es nur die Idee, dass eine Gruppe junger Menschen den Tod eines Freundes verarbeiten will. Wir haben die Geschichte gemeinsam entwickelt.
Manche Szenen in „Echolot“ erinnern an Kunstfotografie.
Das war Absicht. Wir haben in einem alten Bauernhaus nördlich von Berlin gedreht. Das gesamte Interieur besteht aus alten Gegenständen, die die Besitzer gesammelt haben. Das schafft einen entsprechenden Hintergrund. Wir haben uns für eine strenge visuelle Erzählweise entschieden, weswegen wir den ganzen Film auch nur mit einer Brennweite, einem 50er-Objektiv, gedreht haben.
Was hat das für einen Effekt?
So wirkt der ganze Film wie aus einem Guss. Wenn man eine Naheinstellung machen will, kann man eben nicht das Objektiv wechseln, sondern muss näher heran gehen. Große Gruppen aufzunehmen, wird in Innenräumen schwierig, weil man weiter zurückgehen muss. Dafür hatten wir dieses Haus ausgewählt, weil alle Räume miteinander verbunden sind, sodass man immer Durchblick hatte. So konnte ich mit der Kamera auch über zwei Räume etwas erzählen. Wir haben uns durch die festgelegte Brennweite von vornherein zu kreativen Lösungen gezwungen. So haben wir besondere Bilder erhalten.
Die Sehgewohnheiten sind heute anders. Digitale Technik bringt durchweg scharfe Bilder, die manchmal fast schon künstlich wirken.
Wir haben auch digitale Technik benutzt. Aber wir haben sie nach unseren eigenen Vorstellungen angewendet. Wir hatten vor allem klassische Vorbilder.
Tarkowskij?
Unter anderem auch. Ich orientiere mich vor allem aber an den Filmen des erst kürzlich verstorbenen Kameramanns Harris Savides, der mit Gus van Sant viel gearbeitet hat, etwa in den Filmen „Elephant“ oder „Milk“. Wichtig ist mir auch Anthony Dod Mantle, der viel mit Lars von Trier gearbeitet hat oder auch „Slumdog Millionär“ mit Danny Boyle gedreht hat. Sein Ansatz ist, dass man grundsätzlich mit allen Kameras drehen kann, es muss nur zu der jeweiligen Geschichte passen. Er nutzt viel die Handkamera, während Harry Savides eher für ruhige Bilder steht. Ich möchte mich in beide Richtungen entwickeln.
Hat die Ausbildung an der HFF Ihre Handschrift geprägt?
Wenn es so etwas wie eine typische Handschrift gibt, dann hängt das damit zusammen, dass meine Kamera-Dozenten aus dem Dokumentarfilm kommen und viel mit Handkamera arbeiten. Das kann schon prägend sein. Auf jeden Fall hatte ich einen großen Freiraum, mich zu entwickeln. Letztendlich hängt es aber von der Zusammenarbeit zwischen Regie und Kamera ab, wie ein Film schließlich aussieht.
Bei Ihrem zweiten Berlinale-Film „Nashorn im Galopp“ gibt es viele Tricks, Zeitraffer und ungewöhnliche Perspektiven.
Das hat viel mit den Regisseuren Erik Schmitt und Stephan Müller zu tun. Die machen viel Stopp-Trick-Animation und erzeugen gerne Illusionen. Zum Beispiel, dass ein Mensch in den Himmel greift und ein Flugzeug aufhält. Das war eine ganz andere Arbeit als bei „Echolot“, wo die Kamera ja ruhig und statisch war. Es gab viele spontane Einfälle, etwa als jemand Luftballons aufgeblasen hat und sie vor die Sonne hielt. Das sah so gut aus, dass wir es gleich mit dem Schauspieler nachgestellt haben.
Es geht dabei auch um die Seele der Stadt. Wie fängt man die mit der Kamera ein?
Indem man viel herumläuft und die Augen offen hält. Ich bin tagelang durch Berlin gelaufen und habe geschaut, was mir auffällt, was mich berührt, was man findet.
Ist die Oberfläche von Berlin nicht schon völlig abgefilmt?
Das schon. Aber wir haben einen ganz eigenen Blick entwickelt. Die üblichen Landmarken wie Brandenburger Tor, Oberbaumbrücke oder der Alex sind nur am Rande zu sehen. Alles spielt sich eigentlich in den Straßen von Neukölln ab. Das ist auch unser Kiez.
Wie sind Sie zur Kamera gekommen?
Ich hatte erst einige Semester Politik und Medienwissenschaft studiert. Das war mir allerdings viel zu theoretisch. Ich habe schon immer gerne fotografiert, damals noch mit eigener Dunkelkammer, später dann auch digital. Als ich dann ein Praktikum im Bereich Kamera gemacht habe, wusste ich sofort: Das ist es! Die Kombination aus technischem Handwerk und kreativem Arbeiten! Auch das projektbezogene Arbeiten über einige Wochen liegt mir.
Hat Sie die Arbeit mit konventioneller Fotografie geprägt?
Ich versuche oft, die Bilder so aussehen zu lassen, als wenn sie auf Filmmaterial gedreht wurden, auch wenn es digital ist. Ich möchte den Bildern eine Geschichte geben. Vielleicht ist das eine Handschrift von mir. Die extreme Bildschärfe der Digitaltechnik gefällt mir nur selten. Eine gewisse Unschärfe finde ich ganz charmant, das schafft auch eine ganz andere Atmosphäre.
Gleich zwei Filme auf der Berlinale, das ist schon eine Auszeichnung.
Auf jeden Fall. Ich hatte schon in den letzten beiden Jahren kurze Filme auf dem Festival. Aber zwei Filme und davon ein langer Spielfilm, das ist neu. Ich bin auch ziemlich aufgeregt, aber das kommt nur phasenweise.
Wie war die Uraufführung?
„Echolot“ hat das Publikum gespalten. Ein Teil des Publikums hat gejubelt und ein paar haben gebuht. Das hat man dann auch in der Diskussion gemerkt. Entweder die Leute fanden den Film großartig oder schrecklich. Es ist halt kein unterhaltsamer Film und man muss sich auf das Tempo und die Erzählweise einlassen können. Das war für mich eine neue Erfahrung, aber ich finde es so spannender, als wenn danach alle gleichgültig das Kino verlassen.
Und Ihr zweiter Berlinale-Beitrag?
Die Premiere von „Nashorn im Galopp“ war das komplette Kontrastprogramm. Weil der Film so verspielt und humorvoll ist, ist er ein absoluter Publikumsliebling. Es wurde viel gelacht und wir bekamen tosenden Applaus. Aber dafür wollte nach dem Screening im Gegensatz zu „Echolot“ kaum jemand diskutieren. Für mich war es toll, an so unterschiedlichen Projekten gearbeitet zu haben.
Welchen Film wollen Sie auf der Berlinale noch unbedingt sehen?
„Promised Land“ von Gus van Sant. Weil ich den Regisseur einfach sehr mag. Außerdem war es seine erste Zusammenarbeit mit dem Kameramann Linus Sandgren und ich finde es spannend herauszufinden, ob sich sein visueller Stil in einer neuen Zusammenarbeit ändert. Denn oft ist die Erzählweise der Kamera für die Filme sehr prägend.
Was ist Ihr Ziel als Kameramann?
Ich will Filme machen, die man sich gerne anschaut, die aber auch eine Aussage transportieren. Konkret festlegen kann ich mich aber noch nicht. Ich bin ja gerade erst am Anfang und freue mich über wechselnde Herausforderungen. Man lernt immer etwas dazu.
Ihre nächsten Projekte?
Im April werde ich im Kosovo einen Kurzfilm über den Beginn des Kosovo-Konflikts drehen. Im Sommer werde ich wieder mit Athanasios Karanikolas drehen, in Griechenland, geplant ist ein Drama.
Ihr Traum?
Die goldene Kamera in Cannes zu gewinnen. Aber das hat noch Zeit.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Johannes M. Louis (30) stammt aus dem Saarland. Er hat an der Potsdamer Filmhochschule HFF 2011 sein Kamera-Diplom gemacht. Sein Abschlussfilm: „Digame – Sag mir“ (Regie: Josephine Frydetzki) gewann 2010 den First Steps Award.
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