Landeshauptstadt: Den Fälschern auf der Spur
Bei 78 Firmen war gestern „Zukunftstag“: Im Hauptzollamt erklärten Beamte, wie sie Schmuggler jagen
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Gucci-Schuhe, ein iPhone, Chanel-Parfüm und Viagra-Potenzpillen. „Die bestehen aus Mehl und Sägespänen“, sagt Andreas Graf und lächelt. Auch sonst ist hier nichts das, was es scheint. Auf dem Tisch im Hauptzollamt Potsdam in der Rembrandtstraße liegen Fundstücke aus dem Sachgebiet Markenpiraterie. 23 883 gefälschte Produkte im Wert von 127,4 Millionen Euro haben die Zollbeamten 2012 deutschlandweit im Auftrag der geschädigten Firmen sichergestellt, hatte Detlef Szesny, der Sprecher der Bundesbehörde, vorher den Schülern erzählt. Genauer gesagt: den Schülerinnen. Bis auf zwei Ausnahmen waren die 30 Teilnehmer des Zukunftstags Brandenburg beim Zoll am Donnerstag Mädchen.
Als Angebot speziell für Mädchen wurde der Zukunftstag Brandenburg vor elf Jahren auch gestartet – nach dem Vorbild aus den USA sollten Mädchen für „untypische“ Berufe interessiert werden. Mittlerweile wenden sich die Veranstalter auch an Jungen: Denn Männer fehlen im sozialen Bereich, in Schulen oder Kitas. Vor Ort in der Praxis sollen Schüler einen Einblick bekommen in den Arbeitsalltag. 78 Arbeitgeber beteiligten sich in diesem Jahr in Potsdam an dem Tag – darunter auch die PNN. Brandenburgweit nahmen den Angaben zufolge 2 527 Mädchen und 2 551 Jungen teil.
Beim Hauptzollamt erlebten die Mädchen auch einen Vorgeschmack auf den Ernstfall: Drei Beamte führten vor, wie sie bei Kontrollen auf Widerstand reagieren. Nur wenige Handgriffe brauchen die Männer, um den Gegner auf den Boden zu bringen und ruhigzustellen.
Nötig wird das hauptsächlich dann, wenn die Zollfahnder Menschenhändlern oder Rauschgift-, Geld- oder Waffenschmugglern auf die Spur kommen. „Da geht es um viel Geld“, erklärt Schießlehrwart Michael Wiese: „Wo etwas mafiös organisiert ist, da werden sich die Leute zur Wehr setzen.“ Eine Auswahl an Waffen, die die Beamten einsetzen – vom Pfefferspray bis zum Maschinengewehr – konnten die Schülerinnen selbst in die Hand nehmen. Eine Schießausbildung gehört zur Laufbahn im mittleren und gehobenen Dienst beim Zoll dazu.
Für Anneke ist das kein Problem. „Ich wollte schon als Kind zur Polizei“, sagte die Neuntklässlerin: „Aber man muss sich ja auch nach Alternativen umgucken.“ Dass es einen Einblick in die praktische Arbeit gab, gefiel auch ihrer Klassenkameradin Julia: „Ich wollte wissen, was man beim Zoll macht“, sagt sie.
Und das ist nicht nur die Arbeit an Flughäfen, Grenzen und auf Autobahnen, wie Szesny erklärte. Auch Kontrollen für das Artenschutzabkommen verantwortet der Zoll: chinesische Medizin aus Bärengalle, Taschen aus Krokodilleder oder in Alkoholika eingelegte Schlangen – alles verbotene Waren, die am Flughafen Tegel beschlagnahmt wurden – konnten gestern bestaunt werden. Der Zoll ist zudem eine Art Inkasso-Firma für öffentliche Einrichtungen: Schuldner vom Arbeitsamt etwa bekommen Besuch von den Vollstreckungsbeamten. Auch die Aufdeckung von Schwarzarbeit fällt in den Aufgabenbereichs des Zolls. Rund 40 Prozent des Bundeshaushalts werden durch die mehr als 34 000 Zollbeamten eingenommen: 2012 waren es fast 124 Milliarden Euro.
Und der Zoll ist in den letzten Jahren zunehmend weiblich geworden: Derzeit liegt die Frauenquote bei 32 Prozent, sagte Szesny. In den Leitungspositionen am Standort Potsdam arbeiten derzeit sogar drei Frauen und zwei Männer. Nicht einmal Popstar Justin Bieber ist vor den Beamten sicher, berichtete der Behördensprecher und erntete damit ein ehrfürchtiges Raunen: Dass Bieber seinen Affen nicht mit nach Deutschland bringen durfte, hängt mit dem Schutz vor Tierseuchen zusammen – ein Zoll-Arbeitsgebiet.
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