Landeshauptstadt: Den Kommandanten auf den Versen
Die PNN-Radfahrt KommandanTour führte vorbei an 43 Kilometern Weltgeschichte – von vorgestern bis heute
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43 Kilometer Weltgeschichte – vorbei am Ort, an dem Kaiser Wilhelm II. 1914 deutsche Truppen in den Krieg schickte. Am Ort, an dem die Kommandozentrale heutiger deutscher Bundeswehreinsätze ist. Vorbei am Ort, an dem Harry S. Truman damals während der Potsdamer Konferenz wohnte, als die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki befohlen worden sind. Und vorbei an einem der 28 Häuser in Potsdam, an denen die Anschläge auf Adolf Hitler geplant worden sind. Doch begonnen hat die Radfahrt der PNN unter dem Motto „KommandanTour“, alles rund um die Macht, am Alten Markt, an dem nach dem Bau des Landtages die Politik des Landes Brandenburg bestimmt werden soll. Zukunftsmusik.
Der erste Stopp, bevor die Tour ins Rollen kommt, liegt inzwischen 76 Jahre zurück: „Wir bauen Sie auf“ steht an der Wand der Ausstellung an der Ecke Dortustraße. Gemeint ist die Garnisonkirche, an der sich am 21. März 1933 Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg trafen. Das durch die Nationalsozialisten inszenierte Treffen ging als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte ein. Dabei verbeugte sich Hitler – in ziviler Kleidung, sein einziger Auftritt in Cut und Zylinder – tief und unterwürfig vor dem Reichspräsidenten. Anschließend gaben sie sich die Hand. Die Veranstaltung gilt als die erste größere Inszenierung des Propagandaministers Joseph Goebbels. Heute kann man Steine für den Wiederaufbau der Kirche erwerben – erste in dieser Woche hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einen Ziegel gekauft.
Schluss mit Geschichte, die Tour führt entlang einer der schönsten Radstrecken Potsdams. Der Europaradweg 1 ist Grundlage für die kleine Gruppe. Über Geltow und Wildpark-West geht es zu jenem Ort, auf den in den letzten Wochen die Öffentlichkeit geschaut hat – wahrscheinlich ohne genau zu wissen, dass er sich hier befindet. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow: Seit acht Jahren werden aus der Henning-von-Tresckow-Kaserne, einer ehemaligen Luftkriegsschule der Wehrmacht, die deutschen Auslandseinsätze koordiniert. Abgekürzt wird es als EinsFüKdoBw. Es ist ein imposanter Ort. Gleich links das Sanitätshaus für die Betreuung deutscher Soldaten, anschließend folgt die Kommandozentrale. Etwa 600 Soldaten arbeiten hier, um die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu koordinieren. Die Zentrale ist in einem Neubau untergebracht, der von außen mit milchglasähnlichen Werkstoffen verkleidet ist. Halb durchsichtig sozusagen. Der Bau soll sich optisch abheben, mehr nicht, so ein PNN-Leser auf Tour, der selbst sechs Jahre lang hier gearbeitet hat. 24 Stunden ist die Zentrale besetzt, an 365 Tagen im Jahr. Von hier aus wird für Nachschub gesorgt, von Nasentropfen bis zum Panzer. Und von hier aus wird der Bundesverteidigungsminister informiert, sobald besondere Einsätze vorkommen. Die Informationen werden zum Bundesverteidigungsministerium nach Bonn und zum Verteidigungsminister nach Berlin gegeben. Am Ende des Geländes ist selbst ein Eingang zu den unterirdischen Bunkeranlagen der Wehrmacht zu sehen, die im hinteren Teil des Geländes im Wald versteckt sind. Der raketenähnliche Turm, einer von mehr als fünf im Wald, sieht mystisch aus. Es sind die einzig sichtbaren Zeichen des früheren Wehrmachtsbunkers „Großer Kurfürst“, der von der Nationalen Volksarmee der DDR ab 1962 modernisiert und durch Bunker ergänzt wurde. Danach war es der erste Führungspunkt des Ministers für Nationale Verteidigung.
Die Fahrt führt zurück in die Stadt – nächster Treffpunkt ist das Neuen Palais. Mit militärischer Genauigkeit und preußischer Pünktlichkeit kommt die Radgruppe Punkt zwölf Uhr zum vereinbarten Treffpunkt. PNN-Mitarbeiter Erhart Hohenstein gibt einen Überblick über die „Kommandozentrale“ Neues Palais, in dem Kaiser Wilhelm II. bis zu seiner Flucht 1918 gewohnt und gearbeitet hat und von wo aus Hellmut Reymann, Befehlshaber Korpsgruppe zur Verteidigung Potsdams, 1945 versuchte die vorrückenden Russen abzuwehren.
Die Tour führt vorbei am St. Josefs- Krankenhaus, in dem die Familie von Berthold Schenk Graf von Stauffenberg einst Unterschlupf fand. Von Februar bis April 1945 war Konstanze von Schulthess-Rechberg als Neugeborene mit ihrer Mutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg 66 Tage lang durch die Ärzte und Schwestern betreut worden. Nächstes Ziel ist die Hegelallee Nummer 53, das Gelände der ehemaligen Druckerei Stein, in der die Weltbühne in den späten 1920er Jahren gedruckt worden ist. Die Wochenzeitung gehörte ab 1927 dem späteren Friedensnobelpreisträger Karl von Ossietzky (gemeinsam mit Kurt Tucholsky). Im benachbarten Café Rabien, heute Café Heider, verfasste er seine Texte und brachte sie dann zur Druckerei. Tatort Leiblstraße 5: Es ist eines von 28 Häusern in der heutigen Landeshauptstadt, in dem Hitler-Attentate geplant worden sind. An diesem Haus weist eine kleine Tafel, in Privatinitiative der Eigentümer angebracht, auf die Geschichte hin. In der linken Doppelhaushälfte wohnten seit 1943 der aus dem Dienst entlassene Diplomat Eduard Bückling und Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld. Mit Berthold Schenk Graf von Stauffenberg planten sie in ihrem Wohnhaus die Machtübernahme am Tag X. Nachweislich war Stauffenberg mehrfach in diesem Haus. Brücklmeier wurde nach dem fehlgeschlagenen Aufstand am 20. Oktober, Graf Schwerin bereits am 8. September 1944 hingerichtet. Eine Publikation über die Ereignisse rund um den 20. Juli 1944 hat Ines Reich geschrieben – heute ist die Historikerin Gedenkstättenleiterin in der Leistikowstraße, dem früheren KGB-Gefängnis.
Es folgt eine Abkürzung der Strecke. Direkt zur Glienicker Brücke führt der Weg an diesem Tag auf Berliner Seite um den Griebnitzsee und über die Hubertusbrücke und Kohlhasenbrücker Straße auf Potsdamer Seite zurück. Vorbei an den letzten erhaltenen Mauerteilen, die inzwischen unter Denkmalschutz stehen und der Truman-Villa. Das Gebäude mit seinem modernen Nebenbau ist der Hauptsitz der FDP-nahen Friedrich-Naumann- Stiftung. Es ist nicht bewiesen, wo Harry S. Truman während seines Aufenthaltes bei der Potsdamer Konferenz den Befehl zum Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gegeben hat. Doch es muss von Potsdam aus gewesen sein. Er wohnte 17 Tage zusammen mit dem Außenminister James F. Brynes sowie dem militärischen Berater William Daniel Leahy in der Villa.
Die letzte Etappe der Kommandantour führt entlang der Karl-Marx-Straße und später durch den Park Babelsberg, unter der Humboldtbrücke hindurch, über die Nuthe bis zum Hauptbahnhof. Ein letzter Abstecher führt in die Heinrich-Mann-Allee – zur Staatskanzlei, Regierungssitz des Landes Brandenburg und des Ministerpräsidenten. Jan Brunzlow
Die Karte für die KommandanTour hat bereits in der vergangenen Woche beigelegen. Heute ist daher die InfrastrukTour beigelegt.
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