Homepage: Den Schornstein umdrehen Forscher pumpen in Ketzin CO2 unter die Erde
Das Projekt wirkt ungewöhnlich: Kraftwerke, die anfallendes Kohlendioxid (CO2) nicht mehr einfach in die Atmosphäre blasen, sondern einfangen, tief in die Erde pumpen und dort speichern. „Man dreht den Schornstein um“, sagt Günter Borm, Wissenschaftler am Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam.
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Das Projekt wirkt ungewöhnlich: Kraftwerke, die anfallendes Kohlendioxid (CO2) nicht mehr einfach in die Atmosphäre blasen, sondern einfangen, tief in die Erde pumpen und dort speichern. „Man dreht den Schornstein um“, sagt Günter Borm, Wissenschaftler am Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam. Doch was so einfach klingt und dabei einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll, ist in Wahrheit ein äußerst kompliziertes und teures Unterfangen – und noch wenig erprobt. In Ketzin bei Potsdam erforscht ein Wissenschaftlerteam deshalb Wege zur unterirdischen Speicherung des klimaschädlichen Treibhausgases. Die „heiße Phase“ startet im Herbst.
Dabei ist die Idee an sich nicht neu und wird in ähnlicher Weise bereits praktiziert: Auf einer Erdgas-Plattform in der Nordsee wird zusammen mit dem Erdgas gefördertes CO2 seit Jahren zurück in den Untergrund gepumpt. Neu ist aber die Idee, das Gas an vielen Orten auf dem Festland tief in die Erde zu pressen, etwa in der Nähe moderner Kohlekraftwerke, die das CO2 nach der Kohleverbrennung vom Rauchgas trennen können. Das weltweit erste derartige Projekt – eine Pilotanlage des Energiekonzerns Vattenfall Europe – soll 2008 in Spremberg an der Grenze von Brandenburg und Sachsen in Betrieb gehen. Auch RWE will ein solches Kraftwerk bauen.
Der wirtschaftliche Einsatz der neuen Technik werde aber frühestens von 2020 an möglich sein, heißt es bei Vattenfall. Ein Grund: Die Abtrennung des CO2 ist teuer und energieintensiv, der Wirkungsgrad der Kraftwerke sinkt. Umweltschützer sind deshalb skeptisch. „Damit werden falsche Hoffnungen geweckt“, sagt der Klimaschutzexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Matthias Seiche. „Das ist keine Lösung für die Klimaschutzproblematik.“ Die Energiekonzerne benutzen die neue Technologie nach Meinung von Seiche zudem als „Feigenblatt“ und „Ablenkungsmanöver“. In den kommenden Jahren würden mehrere Kraftwerke gebaut, „die das CO2 ungefiltert in den Himmel blasen“, kritisiert er. Eine spätere Nachrüstung sei teuer und deshalb „extrem unwahrscheinlich“.
Dass sie mit ihrer Arbeit nur einen Teil dazu beitragen können, den weltweiten CO2-Ausstoß zu reduzieren und damit die globale Erwärmung zu stoppen, wissen die Potsdamer Forscher: Mehr als 25 Milliarden Tonnen CO2 werden derzeit pro Jahr weltweit in den Himmel geblasen – Tendenz steigend. Ihr Ziel ist deshalb, die Möglichkeiten und Risiken der unterirdischen CO2-Speicherung genau zu untersuchen. „Wir wollen die Technik im Kleinen testen und Daten sammeln“, so Borm, der das mehr als 20 Millionen Euro teure Projekt leitet – eines von weltweit dreien und das einzige innerhalb der Europäischen Union. Gefördert wird es von der EU, der Bundesregierung und der Industrie.
Im Herbst wird es ernst: Dann sollen drei Bohrlöcher 800 Meter tief in die Erde in eine poröse Sandsteinschicht getrieben werden, die von nahezu undurchlässigen Gips- und Tonschichten überdeckt ist. Über eines der drei Löcher wollen die Wissenschaftler dann zwei Jahre lang bis zu 60 000 Tonnen CO2 versenken, rund 100 Tonnen pro Tag. Die Ironie dabei: Sie müssen das Gas vorerst noch teuer einkaufen. „Reines CO2 ist sehr schwer zu bekommen“, berichtet Borm. Mit Hilfe der anderen beiden Bohrlöcher soll überprüft werden, wie sich das unter Druck flüssige CO2 in der Tiefe verhält, wie es sich ausbreitet und das im Sandstein vorhandene Salzwasser verdrängt.
In der Tiefe eingeschlossen wird das CO2 von den undurchlässigen Gips- und Tonschichten, die wie ein Deckel fungieren. „Diese Speicher sind über zig Millionen Jahre dicht“, versichert Borm und ergänzt: „Das CO2 gehört nun einmal in die Erdkruste und nicht in den Himmel.“ Wichtig sei deshalb neben der unterirdischen Speicherung und einer Effizienzsteigerung von Kraftwerken auch die Weiterentwicklung erneuerbarerer Energien, sagt Borm. Aber auch Energiesparen helfe. Christoph Trost
Christoph Trost
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