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Das im Januar 1900 als Rathaus von Nowawes eröffnete Kulturhaus Babelsberg ist Denkmal des Monats.

© Ottmar Winter / PNN

Denkmal des Monats: Babelsbergs prächtiger Mittelpunkt

Das vom Architekten Otto Kerwien entworfene Rathaus wurde ausgezeichnet. Zu seinen Besonderheiten zählt die historische Turmuhr von 1899.

Jeden Montagmittag klettert Hausmeister Björn Trauer die steile Holztreppe im Turm des Kulturhauses Babelsberg empor, öffnet einen Holzkasten und dreht mit einer großen Kurbel die alte Turmuhr auf. 70 Runden muss die Kurbel machen, um das Gewicht der Pendeluhr für den einwöchigen Betrieb hochzuziehen. „Das ist Workout“, sagt Kulturhausleiter André Looft, der am Freitag durch das historische Gebäude führte.

Der Anlass: Der Arbeitskreis der 31 brandenburgischen Städte mit historischem Stadtkern kürte das Gebäude zum Denkmal des Monats. Es ist die insgesamt 280. Auszeichnung dieser Art im Land, die dreizehnte in Potsdam und die sechste in Babelsberg. Gewürdigt werde ein besonderes Gebäude und die Denkmalpflege, sagte der AG-Vorsitzende und Beeskower Bürgermeister Frank Steffen.

Das frühere Rathaus sei ein Ausdruck des Stolzes der Bürgerschaft von Nowawes und der unterschiedlichen Entwicklung von Potsdam, Nowawes und Neuendorf. „Drüben das Barocke, hier das Tatkräftige und Handwerkliche“, sagte der Baubeigeordnete Bernd Rubelt (parteilos). Er sprach von einer stürmischen Entwicklung der Orte und einem Mittelpunkt des städtischen Lebens, dem Rathaus.

Das vor 123 Jahren eröffnete Amts- und Gemeindehaus drückte den Stolz von Nowawes aus. Der Potsdamer Architekt Otto Kerwien schuf einen vom hohen Turm, Giebeln und Zinnen geprägten Bau – nach dem Vorbild brandenburgischer Backsteingotik.

Plakette auf rotem Backstein: Zum sechsten Mal wird in Babelsberg ein Denkmal und dessen Pflege durch den Arbeitskreis der Städte mit historischem Stadtkern  ausgezeichnet.
Plakette auf rotem Backstein: Zum sechsten Mal wird in Babelsberg ein Denkmal und dessen Pflege durch den Arbeitskreis der Städte mit historischem Stadtkern ausgezeichnet.

© Ottmar Winter / PNN

Charakteristisch sind die grünen Ziegel auf den Dächern und an den Gesimsen, der Ratskeller auf der Ecke sowie der Turm mit Balkon, Spitze und Uhr. Das Gebäude hat übrigens ein Pendant. Kerwien schuf auch das baulich sehr ähnliche Rathaus Schmargendorf. Sein Wohnhaus in der heutigen Gutenbergstraße 66 erinnert in seiner Form ebenfalls an ein Rathaus.

Zahlreiche weitere Gebäude entwarf Kerwien: unter anderem die 1903 eingeweihte Potsdamer Synagoge, Wohnhäuser in der Jägerallee und Mangerstraße, die Stadthalle Lübeck, Schulen in Berlin. Er starb 1907 im Alter von 47 Jahren. Sein Haus in Potsdam hatte er nur ein Jahr lang bewohnt.

Bilder des Architekten gibt es nicht. „Wir wissen nicht, wie er aussah“, sagt André Looft. Eine Ausstellung im Haus (täglich von 10 bis 16 Uhr) informiert über Kerwiens Schaffen. Im Haupttreppenhaus – das Kulturhaus verfügt über drei Treppenhäuser und eine Turmtreppe – werden historische Nowaweser Postkarten gezeigt.

Hannah Arendt heiratete im Rathaus Nowawes

Durch die Vereinigung von Nowawes und Neuendorf gewann das Rathaus an Bedeutung. Mit der Eingemeindung Neu-Babelsbergs und der Umbenennung des Orts wurde das Gebäude am 1. April 1938 zum Rathaus Babelsberg, verlor diese Funktion aber nur ein Jahr später mit der Eingliederung zur Stadt Potsdam.

Es folgte eine wechselvolle Nutzungsgeschichte: Der Kerwien-Bau beherbergte eine Bibliothek, ein Polizeirevier mit Ausnüchterungszelle im Hof, ein Kriegslazarett, eine Sparkassenfiliale (aus dieser Zeit blieb ein Tresor), das Gesundheitsamt und das Standesamt, in dem Prominente wie Hannah Arendt heirateten.

Im alten Ratssaal sind die Wappen von Nowawes (mit Linde) und Neuendorf (mit Wandersmann) sowie das gemeinsame Wappen mit Linde und Wandersmann zu sehen. 1965 wurde das Gebäude zum Klubhaus mit Milchbar. Seit den 1990er-Jahren wird das ehemalige Rathaus als Kulturhaus genutzt, seit 2005 von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben. Eine Restaurierung durch den Babelsberger Stadtkontor kostete 1,2 Millionen Euro und wurde 2012 abgeschlossen.

Die AWO-Hausleitung freut sich gemeinsam mit dem Baubeigeordneten Bernd Rubelt (3.v.l.) und dem Arbeitsgemeinschaftsvorsitzenden Frank Steffen (2.v.l.) über die Restaurierung.
Die AWO-Hausleitung freut sich gemeinsam mit dem Baubeigeordneten Bernd Rubelt (3.v.l.) und dem Arbeitsgemeinschaftsvorsitzenden Frank Steffen (2.v.l.) über die Restaurierung.

© Ottmar Winter / PNN

Das Turmzimmer müsse noch erneuert werden. Und auf dem Turm wachse eine Birke, sagte die AWO-Vorstandsvorsitzende Angela Schweers in Richtung des Baubeigeordneten. Noch keine Neuigkeiten gebe es zum seit rund fünf Jahren leerstehenden Ratskeller. Zwar hätten einige Gastronomen angefragt, die AWO könne sich aber auch andere Nutzungen vorstellen, sagte AWO-Koordinatorin Yvonne Pachl. Entschieden wird beim Eigentümer: dem kommunalen Immobilienservice.

Die historische Rathausuhr, 1899 geliefert von der Turmuhrfirma Georg Richter aus Kreuzberg, die im Film „Feuerzangenbowle“ zu sehen ist, muss wohl noch einige Male aufgezogen werden, bis in den Ratskeller wieder Leben einkehrt.

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