Landeshauptstadt: „Der Berija der Ostzone“
Historiker für Umbenennung der Kurt-Fischer-Straße
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Groß Glienicke - Auf die Potsdamer Stadtverwaltung wächst der Druck, die Dr.- Kurt-Fischer-Straße im Ortsteil Groß Glienicke umzubenennen. Grund sind die Verstrickungen des 1950 verstorbenen Kommunisten in der Stalinzeit. Die Stadtverordneten hatten jüngst auf Antrag der Grünen beschlossen, wegen der Vergangenheit von Fischer eine Straßennamensänderung zu prüfen.
Ein Historiker erhebt nun schwere Vorwürfe gegen Fischer: Mike Schmeitzner vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden hat bereits 1999 eine Abhandlung zu dessen Wirken geschrieben. „Fischer kann im Prozess der stalinistischen Diktaturdurchsetzung in der sowjetischen Besatzungszone als eine Schlüsselfigur gelten, er hat diesen Weg mit harter Hand durchgesetzt“, sagte Schmeitzner den PNN auf Anfrage. Fischer war von 1945 bis 1948 sächsischer Innenminister und von 1948 bis einige Monate vor seinem frühen Tod Chef der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) in Ost-Berlin, laut Schmeitzner der Vorläufer-Institution des DDR-Innenministeriums. Vor 1945 agierte Fischer rund 20 Jahre lang als sowjetischer Offizier. „Er verkörperte in besonderer Weise den Prototyp des in der Sowjetunion ausgebildeten und geformten Berufsrevolutionärs, dessen Handlungsmaxime seine ideologische Überzeugung sowie die unbedingte Treue gegenüber der sowjetischen Staatspartei war“, sagte Schmeitzner. Fischers Hoffnungen hätten der Errichtung einer „Diktatur des Proletariats“ nach dem Vorbild Lenins und Stalins auch in Deutschland gegolten.
Zu Fischers engen Freunden hätten der spätere SED-Generalsekretär Walter Ulbricht und der spätere Stasi-Chef Erich Mielke gezählt, so Schmeitzner. Der frühere stellvertretende Landesvorsitzende der sächsischen SPD, Arno Haufe, habe laut dem Historiker 1947 intern über Fischer geschrieben, dieser sei „brutal“ und „schnell aufgeregt“ gewesen: „Er greift in alle Aussprachen ein und mit seiner Brutalität setzt er sich durch, weil die Genossen gewisse Angstzustände vor ihm haben. Er gilt im Kabinett als die wichtigste Persönlichkeit “. Der sozialdemokratisch orientierte West-Berliner „Telegraf“ veröffentlichte laut Schmeitzner zudem im November 1948 einen Artikel unter der Schlagzeile „Der Berija der Ostzone“, eine Anspielung auf Stalins berüchtigten Geheimdienstchef. In dem Text heißt es über Fischer: „Er ist energisch bis zur Brutalität, er ist zielbewusst und intelligent.“
Zuletzt hatte der Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ des früheren Stasi- Unterlagenbeauftragten Joachim Gauck für eine Umbenennung der Kurt-Fischer- Straße plädiert. Allein gegen die Prüfung der Umbenennung hatte sich die Potsdamer Linke stark gemacht. Die Kurt-Fischer-Straße erschließt übrigens eine Straße zu einer Siedlung, die zu DDR-Zeiten für die Angehörige der NVA-Grenztruppen gebaut wurde. Henri Kramer
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