Marc Sergeant war die Erleichterung anzusehen. „Jetzt hat er sich endlich vom Teddy-Bären zum Grizzly gewandelt“, sagte der Teamchef von Omega Pharma Lotto nach dem Etappensieg von André Greipel. Tatsächlich war der gewöhnlich eher sanftmütige Hürther wie ein böses Wildtier die leicht abschüssige Zielanfahrt in Carmaux entlang gejagt und an dem Briten Mark Cavendish, der auf den Kampfnamen „die Kanonenkugel“ hört, vorbeigezogen.
An Schnelligkeit stehen sich die beiden kaum nach. Das größere Kraftpaket ist Greipel, der wegen seines kompakten Äußeren „der Gorilla“ genannt wird. 1 800 Watt bringt er in Spitzenmomenten auf die Pedale, 1 300 Watt nur Cavendish. Der ist aber zwölf Kilogramm leichter und kann so ruckartiger beschleunigen. Wegen dieser siegbringenden Charakteristik zog Highroad-Sportdirektor Rolf Aldag den Briten bei den großen Rennen immer vor. Cavendish durfte zur Tour, Greipel musste Urlaub machen. „Ich habe in diesem Jahr mein Training verändert. Erstmals musste ich im Juli in Bestform sein. Sonst hatte ich eine Rennpause“, sagte er. „Ich bin glücklich, dass mir diese Umstellung so gut gelungen ist.“
Die größte Veränderung ist jedoch, dass Greipel selbst bissiger geworden ist. Radsprint ist ein Sport der großen Egoisten. Das weiß kaum jemand besser als Erik Zabel. „André braucht noch ein paar Ecken und Kanten, um sich durchzusetzen. Dann aber kann Greipel gegen Cavendish so werden wie früher Zabel gegen Cipollini“, sagte Zabel.
In dieser Saison hat Greipel einen ersten Schnitt gemacht und nach sechs langen Jahren das Nest von Team HTC verlassen. Im neuen Rennstall hat er bei einem aufkommenden internen Konflikt richtig dagegen gehalten. Das erste Sprintfinale gegen den Erzrivalen Cavendish verhinderte ausgerechnet Greipels Mannschaftskollege Philippe Gilbert, der für Greipel keine Führungsarbeit leistete. Greipel fluchte: „Das ist kein Team.“
Auch mit Contador hat Greipel sich schon angelegt, indirekt zumindest. Contadors Tourstart trotz Dopingverdachts sei „verheerend für die Außendarstellung des Radsports“, sagte Greipel vor der Tour. Contador, Cavendish und Gilbert – das sind ausgesuchte Radsportgrößen, an denen sich der 28-Jährige da reibt.
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