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VERKEHRSSICHER: Der Blick der toten Fahrer

Die 22-jährige Potsdamerin Maria Vaorin hat am Plakatwettbewerb der Kampagne „Lieber sicher. Lieber leben“ teilgenommen – heute werden ihre Siegermotive in der Innenstadt vorgestellt

Stand:

Im vergangenen Jahr waren über 50 der 222 Verkehrstoten in Brandenburg noch keine 25 Jahre alt – ein Indiz dafür, dass das Thema Verkehrssicherheit in Brandenburg ein wichtiges Thema für junge Menschen ist. Damit weniger junge Verkehrstote zu beklagen sind, hat das Land Brandenburg schon 1997 die Verkehrssicherheitskampagne „Lieber sicher. Lieber leben.“ ins Leben gerufen. Die bekanntesten Gesichter hinter der Aktion sind die so genannten Schutzengel und -bengel, die recht einfach an ihren hellblauen Perücken zu erkennen sind. Als möglichst gut gelaunte Botschafter der Verkehrssicherheit sind sie im gesamten Land Brandenburg unterwegs, etwa in Diskotheken, bei Volksfesten, an Tankstellen oder an Raststätten. Dort sollen sie vor allem junge Menschen über Risiken im Straßenverkehr aufklären, speziell das Thema Alkohol am Steuer steht im Fokus.pbi

Im Internet:

www.liebersicher.de

Der Blick des jungen Mädchens geht emotionslos ins Leere. Auf ihrem Gesicht klebt Blut, an einigen Stellen trocknet es bereits. Die Haut der 18-Jährigen hat die bleiche Farbe einer lebenden Toten. Und sie hat ein Handy in der Hand. Neben dem Bild ist eine nüchtern klingende Botschaft zu lesen: „Julia M. kam wegen Unachtsamkeit auf der Landstraße nach einer Kurve von der Fahrbahn ab. Mit 80 Kilometern pro Stunde schleuderte sie mit ihrem Auto gegen einen Baum. Die Fahranfängerin war sofort tot. Zum Zeitpunkt des Unfalls telefonierte Julia M. gerade mit ihrer besten Freundin über Handy. Diese muss jetzt die Ausbildung für Bürokommunikation alleine beginnen.“

Demnächst wird das Motiv mit der fiktiven Figur Julia M. an vielen Stellen in Brandenburg hängen. Zusammen mit einem weiteren Plakat ähnlicher Aufmachung sollen beide Bilder junge Menschen davor warnen, allzu leichtsinnig im Straßenverkehr zu agieren. Die zwei Motive sind die Siegerentwürfe eines Wettbewerbs, den das brandenburgische Verkehrsministerium für die landesweite Verkehrssicherheitskampagne „Lieber sicher. Lieber leben“ dieses Jahr aufgelegt hat. Die Plakate sollen heute am Donnerstagvormittag am Luisenplatz beim Brandenburger Tor enthüllt werden. Gleichzeitig wird dabei die Gewinnerin des Wettbewerbs vorgestellt: Die 22-jährige Potsdamerin Maria Vaorin. Sie hat sich die bizarren Bilder und die Texte dazu ausgedacht, sich damit gegen 15 Mitbewerber durchgesetzt. Für die junge Potsdamer Fotografin ist der Gewinn die bisher größte Anerkennung ihrer Arbeit: „Der Anruf mit dieser Nachricht aus dem Ministerium – das war das Telefonat, bei dem ich mich in meinem Leben bisher am meisten bedankt habe.“

Maria Vaorin fotografiert seit mehr als vier Jahren. Alles begann mit einer kleinen Digitalkamera. „Nach einiger Zeit fragten mich Freundinnen, ob ich nicht Bilder von ihnen machen kann, als Geschenk“, erzählt die Potsdamerin. Aus dem Hobby wurde mehr. Eine Leidenschaft: „Ich finde es spannend, dass Menschen auf meinen Fotos meist anders aussehen als in der Realität“, sagt die junge Frau. Neben ihrer Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin hat sich Maria Vaorin inzwischen schon ein kleines Studio an der alten Bierbrauerei am Brauhausberg eingerichtet. „Seit ich weiß, dass ich als Fotografin arbeiten will, habe ich versucht, mich immer zu steigern.“

In ihrem Studio-Raum lässt sich das merken: Er birgt vier Ecken mit unterschiedlichen Zimmeransichten, der Blick springt zwischen buntgestreifter und altmodisch beige gemusterter Tapete, Plastikblumen und einer Diskokugel am Fenster, einem goldenen Hirschgeweih an der Wand. Auch das hat etwas mit dem Anspruch zu tun, Menschen anders wirken zu lassen – vor verschiedenen Hintergründen eben. Ähnliches ging Maria Vaorin für ihren Wettbewerbsbeitrag durch den Kopf: Wie lassen sich Menschen verfremden – in diesem Fall ihr Freund und mehrere Mitschülerinnen ihrer Azubi-Klasse. Dazu musste eine Maskenbildnerin her. „Ich wollte zu diesem Thema etwas mit Blut machen.“ Surreal sollte es sein, morbid. Eine ganze Bildserie hat sie so aufgenommen, sich zu jedem Motiv eine Geschichte ausgedacht.

Und die Idee wirkt. Da ist zum Beispiel das Bild von Thorsten S., ein Gesicht mit einer aufgerissenen Wange. „Der 20-Jährige hörte Musik über seine Kopfhörer, als er mit dem Fahrrad durch die Innenstadt zur Bandprobe unterwegs war. Beim Abbiegen bemerkte er den herannahenden Lieferwagen nicht. Er wurde frontal von dem Fahrzeug erfasst und starb noch an der Unfallstelle. Thorsten S. wollte bald sein Musikstudium beginnen.“

Zum Glück, sagt Maria Vaorin, „ist so etwas in meinem Freundeskreis noch nicht vorgekommen.“

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