Landeshauptstadt: „Der Bund muss sich stärker engagieren“
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) über die Probleme des Wohnungsmangels
Stand:
Herr Scholz, Hamburgs Wohnungsproblem ist wesentlich größer als das in Potsdam. Was tun Sie dagegen?
Wir haben zu wenige Wohnungen – auch deshalb, weil die, die vor mir in der Stadt verantwortlich waren, nicht dafür gesorgt haben, dass jedes Jahr genügend neue Wohnungen gebaut werden. Die Zahl der Einwohner in Hamburg hat sich seit 1990 um fast 200 000 erhöht, aber es sind nicht in gleichem Maße Wohnungen gebaut worden, was ja nötig gewesen wäre. Und die Einwohnerzahl steigt weiter, wir rechnen damit, dass wir Ende der 2020er-Jahre an die zwei Millionen Einwohner haben. Da muss man jedes Jahr neue Wohnungen bauen. Mein Ziel sind 6000 neue Wohnungen pro Jahr. Im letzten Jahr konnten fast 9000 Baugenehmigungen erteilt werden und in diesem Jahr sieht die Bilanz auch ganz gut aus.
Potsdam hat eine vergleichbare Situation, hier sollen es 1000 neue Wohnungen sein. Doch hier heißt es, bezahlbare Mieten seien aufgrund der hohen Baupreise kaum ohne öffentliche Förderung zu erreichen.
Wir brauchen eine gesunde Mischung. Es gibt Leute, die sind in der Lage, eine hohe Miete zu zahlen und die heißen wir herzlich willkommen. Aber es gibt auch viele, die mit dem Einkommen, das sie haben, frei finanzierte Wohnungen nicht bezahlen können. Deshalb brauchen wir bezahlbare Mieten und das geht nur mit gefördertem Wohnungsbau. Wir haben das Ziel, von den 6000 neuen Wohnungen mindestens 2000 als Sozialwohnungen zu errichten. Wir nehmen dazu Fördermittel des Bundes und des Landes Hamburg in die Hand. Wir haben zwei Förderkategorien, einmal für die, die sehr wenig verdienen und für diejenigen, die über ein mittleres Einkommen verfügen, die aber auch nicht genug verdienen, um sich eine neu gebaute, frei finanzierte Wohnung leisten zu können.
Fordern Sie die Bundesregierung auf, sich stärker im sozialen Wohnungsbau zu engagieren?
Wir brauchen dringend ein stärkeres Engagement des Bundes im sozialen Wohnungsbau. Es ist sehr gut, dass es jetzt in langen, sehr zähen Verhandlungen gelungen ist, die Bundesregierung dazu zu bewegen, dass sie die Wohnungsbaufördermittel bis 2019 verlängert. Aber das ist zu wenig, wir brauchen eine deutliche Aufstockung, damit der Wohnungsbau vorankommt, gerade in all den vielen Orten in Deutschland, in denen die Zahl der Bürger zunimmt.
Wäre ein erhöhtes Wohngeld auch eine Möglichkeit, den Menschen zu helfen?
Letztendlich brauchen wir genügend bezahlbare Wohnungen. Das Wohngeld ist immer nur die zweitbeste Lösung. Ich warne diejenigen, die behaupten, dass man gar nichts für den sozialen Wohnungsbau tun muss, weil man das ja mit dem Wohngeld lösen könnte. Das ist eine Illusion.
Wie erklären Sie sich den starken Zuzug in Ballungsgebiete wie Berlin oder Hamburg?
Der Trend zur Urbanisierung ist ungebrochen. Das sehen wir überall auf der Welt. Bald werden 80 Prozent aller Menschen auf dieser Erde in Städten wohnen – darunter sind auch einige Städte, die Dimensionen haben, die wir uns in Deutschland nirgendwo vorstellen können. Und auch in unserem Land mit seiner in den nächsten Jahrzehnten sinkenden Bevölkerung gibt es viele Orte, bei denen es anders ist. Das hat etwas mit der Attraktivität des Lebens in der Stadt zu tun und da gibt es keinen Unterschied zwischen Hamburg, Potsdam, Berlin oder Leipzig. Überall gibt es viele neue Haushalte, die eine Wohnung suchen.
Die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein hat nun eine Initiative für den Verkauf von bundeseigenen Wohnungen an die kommunale Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam gestartet. Was halten Sie davon?
Die ostdeutschen Wohnungen, die der Bund übernommen hat, haben eine Funktion bei der Preissicherheit auf den regionalen Märkten. Ich verstehe es gut, dass die kommunalen Wohnungsgesellschaften diese Bima-Wohnungen in ihrem Besitz haben wollen. Das macht Sinn.
Demnach sollten auch Wohnungsbestände in kommunaler Hand nicht zum Ausgleich defizitärer Haushalte verkauft werden?
Wenn es irgendwie geht, sollten Kommunen ihre Wohnungsbestände behalten und wir haben uns in Hamburg auch so entschieden. Unsere städtische Wohnungsgesellschaft baut sogar neue Wohnungen.
Das Interview führte Guido Berg
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