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Landeshauptstadt: Der Club gegen Heimweh

Der Rotary Club Potsdam bietet jedes Jahr einige Austauschplätze an - und ein breites Netzwerk

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Teresa Marttila dürfte eine der wenigen gewesen sein, denen es in den letzten Monaten in Potsdam zu warm war. Die 17-jährige kommt aus Finnland und hat schon härtere Winter kennengelernt. Seit September vergangenen Jahres ist Teresa zu Gast in der Stadt – als Austauschschülerin am Einstein-Gymnasium. „Es ist ein Traum, hier herzukommen“, sagt das Mädchen mit den strohblonden langen Haaren in tadellosem Deutsch. Teresa ist eine von vier Jugendlichen, die als sogenannte Inbounds des Rotary Club ihr Schuljahr in Potsdam absolvieren. Die anderen Austauschschüler kommen aus Taiwan, Frankreich und Indien. Gleichzeitig weilen Schüler aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark derzeit als Outbounds der Organisation im Ausland.

„Sie kommen an und sind Kinder. Sie gehen und sind junge Erwachsene“, resümiert Eva Renfordt die Erfahrung ihrer Schüler wie Teresa. Renfordt ist die Koordinatorin des Jugenddienstes der Rotarier. Die Veränderung der Schüler erlebt sie immer wieder. Ihre Persönlichkeiten würden sie entwickeln, vor allem aber auch mehr Selbstständigkeit. „Man wächst als Mensch“, sagt Teresa, „wenn man das im Ausland alleine schafft.“

Seit 60 Jahren hat sich der Rotary Club dem Schüleraustausch verschrieben. Gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, um einen Beitrag zu leisten, Kriege zu verhindern, ist der Rotary Club die erlesenere unter den Austauschorganisationen. „Nur gute Schüler“ würden ausgewählt, sagt Renfordt. Zum oberen Drittel der Leistungsstärksten müssten sie gehören. Der 16-jährige Amaury Beaudet aus Frankreich, der derzeit das Helmholtz-Gymnasium besucht, hat eine Klasse übersprungen. Die meisten von ihnen sind zwischen 16 und 18 Jahre alt, in Ausnahmefällen können sie bereits mit 15 Jahren am Programm teilnehmen.

Auch die Eltern erwartet eine sorgfältige Auslese. Rotarier selbst müssen sie nicht sein, sich aber bereit erklären, selbst ein Gastkind aufzunehmen. Die Familien werden von Eva Renfordt und ihrer Kollegin besucht und erwartet „eine sehr intensive Vorbereitung“ auf das Auslandsjahr mit Kursen für die Kinder und Seminaren für die Eltern. Dort bringt Renfordt den künftigen Stipendiaten auch zwei der wichtigsten Regeln bei: kein Besuch der Eltern während des Austauschs und „keine Drogen, kein Alkohol“. Wer dieses Verbot übertrete, werde „auch schon mal nach Hause geschickt“, sagt Renfordt.

Wenn schon kein Besuch von den Eltern erlaubt ist - „sonst bekomme ich zu viel Heimweh“, sagt Teresa-, so skypt sie jeden Sonntag mit ihrer Familie. Der Rotary Club hat für seine Schützlinge außerdem ein enges Netz an Aktivitäten und Begegnungen gestrickt: Jede Woche sind die Jugendlichen zu Vorträgen und Besichtigungen eingeladen. Bei gemeinsamen Wochenendausflügen sollen die Jugendlichen nicht nur Deutschland näher kennenlernen, sondern sich auch gegenseitig. „Ich habe hier Freunde aus aller Welt gefunden“, sagt Teresa. Bald steht für sie und die drei anderen jungen Rotarier wohl der Höhepunkt ihrer Auslandszeit an - eine große Europa-Reise mit Stationen in Paris, Wien und Prag.

Einen Großteil der Kosten für die Austauschschüler übernimmt der Rotary Club. Die Eltern steuern das Taschengeld bei und tragen die Kosten für den Flug. Rund 3000 Euro stellt der Club für einen Austauschschüler bereit, das Geld sammelt dafür Renfordt unter den rund 80 Mitgliedern in Potsdam ein. Teresa wechseln während ihrer Zeit in Potsdam alle drei, vier Monate die Familien – auch das ist Konzept, um den Schülern eine große Bandbreite an Lebensstilen zu vermitteln. Die junge Finnin wohnte etwa bei einer Familie in Töplitz, die das ganze Jahr über Gastkinder aufnimmt. Deren Tochter ist Outbound in Mexiko.

Wer sich nicht unbedingt auf ein englischsprachiges Land festlegen will, hat gute Chancen, über den Rotary Club sein Auslandsjahr zu verbringen. „In den Bewerbungsgesprächen fragen wir auch danach, ob die Schüler flexibel in der Wahl des Gastlandes sind“, sagt Koordinatorin Renfordt. Delphine Reitz aus Werder hat die Chance vor fünf Jahren genutzt und war mit dem Rotary Club in einer kleinen Städt in der Nähe von Santiago de Chile. Das Risiko habe sie gereizt, sagte sie. „Das Land kannte ich gar nicht, außer der Atacama-Wüste und El Niño“. In ihrem Auslandsjahr war Delphine in Punta Arenas, der südlichsten Großstadt der Erde, und in Patagonien. „Das sind Eindrücke, die man sonst nicht bekommt“, sagt die junge Frau. Heute studiert sie Spanisch und will unbedingt wieder nach Lateinamerika. Grit Weirauch

Bewerbungen bis Anfang Mai an:

renfordt@gmx.de

Grit Weirauch

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