Landeshauptstadt: „Der Dreck hat mich beeindruckt“
Rainer F. Steußloff fotografierte als „Westler“ in der untergehenden DDR
Stand:
Herr Steußloff, 1989 lebten Sie in Bonn und hatten dort eine Fotoagentur. Wie erfuhren Sie vom Fall der Berliner Mauer?
Ein Kollege kam noch am Abend des 9. November ins Büro reingeschneit und hat mir gesagt, dass in Berlin gerade die Mauer fällt. Dann sind wir sofort los und haben uns die letzten Plätze im Flieger vom Flughafen Köln/Bonn nach Berlin-Tegel ergattert. Das Geld für die sehr teuren Flugtickets hatten wir uns von Eltern und Freunden geliehen. So kamen wir noch in der Nacht in Berlin an und sahen die jubelnden Menschen.
Sie sind in der Folgezeit immer wieder mit der Fotokamera durch die DDR gefahren.
Die Redaktionen in der Bundesrepublik hatten keine Bilder aus der DDR. Diese Lücke wollten wir füllen.
Es gab niemanden, der fotografiert hat?
Es gab wirklich nichts an Material. Klar haben andere im Osten auch etwas fotografiert, aber das war nicht das, was ich mir vorstellte.
Was wollten Sie denn ablichten?
Ich wollte zeigen, wie es im Land hinter der gerade niedergerissenen Mauer wirklich aussieht. Im Alltag und in den Fabriken. Ich bin quer durch die DDR gefahren und habe mich umgeschaut.
Was hat Sie bei Ihren Fahrten durch den Osten am meisten beeindruckt?
Mich hat damals sehr erschüttert, wie man in der DDR mit der Umwelt umgegangen ist. Ich war unter anderem in Halle und in Schkopau. Auf vielen Dingen lag dort eine fünf Zentimeter hohe Dreckschicht. Ich muss sagen, diese Menge an Dreck hat mich sehr beeindruckt. Aber irgendwann konnte man es als Westfotograf einfach nicht mehr sehen.
In der Ausstellung hängen auch Fotos von Ihnen, die Sie auf der Mülldeponie nahe dem havelländischen Ketzin gemacht haben.
Ja, da habe ich mich allerdings für den Westen geschämt. Der hat seinen giftigen Müll, zum Beispiel Farben und Lösungsmittel, hier einfach verbuddeln lassen. Man konnte die Westetiketten noch gut lesen.
Sie sind in der Zeit nach dem Mauerfall immer wieder in die DDR gekommen. Wie haben Sie die Entwicklung in dem damals gerade untergehenden Land in Erinnerung?
Es ging alles unheimlich schnell. Die Westprodukte kamen 1990 in die Ostläden. Es waren schließlich nicht nur die Bananen und Orangen, sondern auch viele technische Geräte, zum Beispiel Kassettenrekorder, die nun massenhaft in der DDR verkauft wurden. In der Ausstellung hier ist ein Bild von mir zu sehen, das zeigt den ersten Wohlstandsmüll des Ostens: einen Berg voller ausrangierter Kühlschränke.
Die Fragen stellte Holger Catenhusen
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