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Das Runde im Blick. Sportpsychologe Georg Froese hat über Elfmeter im Fußball promoviert und wird bald auch in Potsdam jungen Sportlern mit seinem Wissen helfen.

© Jan Kuppert

Sport: Der Elfmeterforscher

Georg Froese vom FC Internationale Berlin stürmte einst für Babelsberg 03, schrieb eine Dissertation über das Strafstoß-Duell und half Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller gegen Bayerns Arjen Robben

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Wer Bayern Münchens Top-Stürmer Arjen Robben so genau analysiert, dass dessen Elfmeter im entscheidenden Moment gehalten wird, der versteht sein Fach. Dr. Georg Froese versteht es sogar ausgezeichnet. Froese – bislang Spielertrainer und jetzt Teammanager des FC Internationale Berlin, der am morgigen Sonntag um 15 Uhr den Regionalligisten SV Babelsberg 03 zum Testspiel empfängt – ist Sportpsychologe. Er schrieb seine Doktorarbeit zum Thema „Sportpsychologische Einflussfaktoren der Leistung von Elfmeterschützen“, promovierte damit 2011 an der Uni Heidelberg und bekam in diesem Jahr den Wissenschaftspreis des Deutschen Fußball-Bundes. Er arbeitete bereits mit Bundesligisten wie Borussia Dortmund zusammen und analysierte für den BVB das Entscheidungsverhalten Robbens bei Elfmetern so exakt, dass Dortmunds Keeper Roman Weidenfeller im vorentscheidenden Meisterschaftsspiel am 11. April 2012 daheim gen die Münchner (1:0) den Strafstoß des Niederländers kurz vor Ultimo parieren konnte. „Das hat schon Einfluss auf die Meisterschaft gehabt“, freut sich der Psychologe noch heute über den damaligen Erfolg seiner Arbeit.

Georg Froese, in Berlin beim 1. FC Union groß geworden, spielte für zahlreiche Vereine, 2005/06 auch für den SV Babelsberg 03, für den der Stürmer damals in 30 Oberliga-Spielen acht Tore erzielte und per Elfmeter einmal im Landespokal traf. Über den SV Falkensee/Finkenkrug, Lok Leipzig und die VSG Altglienicke kam er anschließend vor drei Jahren zum Bezirksligisten FC Internationale, für den er in seiner letzten Saison als Spielertrainer mit 48 Toren zum Aufstieg in die Landesliga beitrug. Nun hat er mit 34 Jahren die Töppen an den Nagel gehängt. „Mein Job als Freiberufler fordert viel Zeit, die ich außerdem für meine Familie haben will“, erklärt Froese, der mit Lebenspartnerin Hatun und Töchterchen Saliha nun im Berliner Stadtbezirk Tiergarten wohnt. Nur eine Straße weiter wohnt sein alter Kumpel Andreas Fricke, mit dem er einst für so manchen Verein gemeinsam stürmte; auch für Babelsberg 03. Der gebürtige Babelsberger Fricke ist seit der vergangenen Saison Coach des FC Internationale.

Als Wissenschaftler ist Georg Froese inzwischen wieder enger mit Potsdam verbandelt. „Ich arbeite auch mit der Potsdamer Uni in deren Projekt Landesteam Sportpsychologie Brandenburg zusammen, in dem wir den Nachwuchs an den Sportschulen des Landes betreuen“, erzählt er. „Ich war bislang vor allem am Standort Cottbus tätig, wo ich unter anderem den Nachwuchs von Energie Cottbus sportpsychologisch betreut habe. Ab kommendem Schuljahr werde ich aber auch in Potsdam tätig werden.“ Von seinem Wissen profitieren könnte dann möglicherweise auch der Turbine-Nachwuchs.

Georg Froese kann beispielsweise genau erklären, wie man sich am Elfmeterpunkt am besten verhalten sollte. „Im Grunde gibt es zwei Strategien“, erläutert er. „Die einen haben einen genauen Plan und schießen unabhängig vom Verhalten des Torwarts. Die anderen wollen ihren Vorteil als Schützen nutzen und warten auf eine Reaktion des Torwarts.“ Der Ball brauche etwa 0,4 Sekunden vom Elfmeterpunkt zur Torlinie, weshalb sich der Torwart bereits vor dem Schuss in Bewegung setzen müsse. Diese „torwartabhängige Strategie“, wie der Elfmeterforscher sie nennt, sei „der Königsweg. Die allerwenigsten beherrschen diese Strategie, aber man kann sie gezielt trainieren“, so der Wissenschaftler. Und sie werde seltener angewandt. Auch Arjen Robben wählte im Frühjahr 2012 die torwartunabhängige Strategie – und scheiterte.

1990 im WM-Finale von Rom übrigens verwandelte Andreas Brehme mit der gleichen Strategie seinen Elfmeter zum entscheidenden 1:0-Sieg gegen Argentinien. „Damals hat meine ganze Familie vorm Fernseher gesessen, und seitdem hat mich das Thema Elfmeter fasziniert“, erinnert sich Georg Froese. „Im Jahr 2000 bin ich mit Union im Elfmeterschießen am Aufstieg in die Zweite Liga gescheitert und habe auch die Kehrseite kennengelernt.“ Sich selbst bezeichnet er als „ganz passablen“ Elfmeterschützen. „Ich habe auch ein paar verschossen, aber die Quote war okay.“ Er wisse „aus eigenem Erleben, wie man sich fühlt, wenn man zum Elfmeterpunkt schreitet“. Und ihn habe überrascht, dass es sehr wenig Forschung und Trainingshinweise dazu gebe.

„Ausschließlich von der Sportpsychologie zu leben, das ist in Deutschland noch schwer“, räumt Froese ein. Viele Kollegen hätten noch ein zweites berufliches Standbein. „Ich selbst auch. Ich coache noch als Schulpsychologe Schüler einer Berliner Privatschule.“ Dass auch der SV Babelsberg 03, den eine Partnerschaft mit dem FC Internationale verbindet, in den Genuss seines Know-hows kommen könnte, will Georg Froese nicht ausschließen. „Es gibt beispielsweise Fortbildungen für Jugendtrainer im sportpsychologischen Bereich“, erklärt er. Für umsonst sei so etwas aber kaum zu haben.

Am heutigen Samstag kehrt Froese mit seiner Familie vom Ostsee-Kurzurlaub auf dem Darß heim, morgen kommt er ins Stadion an der Monumentenstraße zum Testspiel seines jetzigen gegen seinen Ex-Verein, „dessen Weg ich nach wie vor verfolge“, sagt er. Und: „Wenn ich am Sonntag Inter gegen Babelsberg sehe, werde ich vielleicht zu zweifeln beginnen, ob es richtig war aufzuhören. Jetzt beginnt die Saisonvorbereitung und es zuckt noch im Fuß.“ So richtig loslassen kann er nur schwer, zumal ja auch noch ein paar Elfmeter auf ihn warten könnten.

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