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Marmorfreundin. Ihr befestigt Wolfgang Wille den Kopf derzeit neu.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Der Göttervater

Vom kurvenreichen Weg eines Bildhauers, der seit 30 Jahren Meister ist

Stand:

Wenn wieder einmal eine der geschichtsträchtigen Figuren im Schlosspark einen Finger verloren hat, einem Hund eine Pfote fehlt oder eine Putte mit platter Nase sehr verstört dreinschaut, dann ist Wolfgang Wille gefragt. Dass Götter und andere Gestalten nicht nur der Witterung, sondern leider auch immer wieder dem Vandalismus ausgesetzt sind, lässt die Arbeit für den 63-jährigen Potsdamer Bildhauer nicht abreißen. Im vorigen Jahr wurde an der Großen Fontäne vor dem Schloss Sanssouci von Wille der Merkur durch eine punktgenaue Kopie ersetzt. Zuvor hatte er schon Abbilder der Götter Mars und Jupiter geschaffen. Die durch Witterungseinflüsse stark geschädigten Marmor-Statuen mussten bereits mehrmals ersetzt werden. Als nächstes wird Wille eine Puttengruppe vor der Bildergalerie nacharbeiten, denn auch dort ist das Original stark verwittert. Seit einigen Jahren hat sich Wille auf Marmorarbeiten spezialisiert, früher hat er unter anderem auch mit Sandstein gearbeitet.

Schaut man nur beiläufig auf die Biografie von Wolfgang Wille, der gerade sein 30-jähriges Jubiläum als Steinmetzmeister beging, dann erscheint sie sehr geradlinig. Ein junger Mann wollte als Bildhauer arbeiten, suchte sich dafür einen Ausbildungsbetrieb, machte dort Gesellenstück und Meisterbrief und verjüngt seitdem Götter und Gnome. So einfach war es bei genauerem Hinsehen allerdings nicht . Gegenüber dem DDR-Staat sei er extrem negativ eingestellt gewesen, erzählt Wille. Das vermasselte ihm Oberschulbesuch und Studium. Auch eine Lehrstelle zu finden, erwies sich als schwierig. Hier lag das Problem allerdings weniger beim Lehrbetrieb als bei der Beschaffung einer passenden Bleibe. Schließlich ergatterte er Wohnung und Lehrstelle in Potsdam und begann bei der Firma Misch die Ausbildung als Steinbildhauer. Danach fand er eine Anstellung beim VEB Stuck- und Naturstein Berlin und blieb dem Betrieb bis 1986 treu, um sich schließlich freiberuflich endgültig in Potsdam niederzulassen. Da hatte er seinen Meisterbrief schon fünf Jahre in der Tasche. Bereits seit 1972 arbeitet Wille fast ausschließlich für die Schlösser und Gärten Sanssouci und so ist es bis heute geblieben. Er war bei der ersten „Restaurierungswelle“ am Neuen Palais dabei und brachte die Sandsteinfiguren des Schlosses wieder auf Vordermann. Das geschah entweder direkt vor Ort oder – wenn man einen Kran bekam – auf dem von polnischen Fachleuten eingerichteten Werkstattplatz direkt neben dem Neuen Palais. Bis Ende 2010 blieb das auch die Arbeitsstelle von Wille. Nun musste er allerdings weichen, denn auf dem Werkstattplatz soll eine Großgaststätte mit etwa 500 Innen- und 600 Außenplätzen (PNN berichteten) entstehen. Inzwischen hat er sich neue Werkstatträume und einen Schauer am Schlaatz ausbauen können.

Ein neuer Schauer, ein nach vorn offener überdachter Arbeitsplatz, hatte Wille schon einmal neue Arbeitsmöglichkeiten eröffnet. 1986 war er gebeten worden, an der Alten Wache in der heutigen Charlottenstraße die Überarbeitung der Sandsteinfiguren zu übernehmen. Das sollte in Feierabendarbeit geschehen und dafür baute sich Wille auf seinem Wohngrundstück einen Schauer. Dann kam die Wende und niemand war mehr fürs Bezahlen der Rechnungen zuständig. „Ich hatte zum Glück ein Faustpfand, denn die Figuren standen alle noch bei mir. Die kommen erst wieder aufs Dach, habe ich gesagt, wenn ich meine Arbeit bezahlt bekomme.“ Schließlich gab es eine Einigung und die Commerzbank, inzwischen neuer Hauseigner, sprang in die Bresche.

Nun kommen erst einmal die Putten für Sanssouci dran und dann „werden wir weitersehen“, sagt Wille. Mit 65 Jahren aufhören – das will der Göttervater jedenfalls nicht. Hella Dittfeld

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