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Der Herr der Ringe. Holger Albrecht aus Potsdam ist zum dritten Mal als oberster Kampfrichter bei olympischen Turnwettbewerben dabei.

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Olympia und Potsdam: Der Herr der Ringe

Bei Olympia 2016 wird Holger Albrecht aus Potsdam wieder oberster Kampfrichter im Turnwettbewerb an den Ringen sein. Vor seiner dritten Teilnahme an Sommerspielen verrät er ab, dass ihm eigentlich ein anderes Gerät als Aufgabengebiet lieber wäre.

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Holger Albrecht wirkt total entspannt. Deutschlands oberster Turn-Kampfrichter bringt nichts aus der Ruhe. Wenige Wochen vor seiner Abreise zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ist von Aufregung keine Spur. „Ich weiß, was mich erwartet“, sagt der 57-jährige Potsdamer. Nach Peking 2008 und London 2012 reist er das dritte Mal zu Olympia. Er gehört zu dem fünfköpfigen Technischen Komitee des Internationalen Turnerbundes FIG, das über die Einhaltung der Wettkampfregeln wacht. Sein Reisekoffer ist schnell für Brasilien gepackt. „Ist alles eine Frage der Übung“, wie Holger Albrecht sagt.

Bei den Wettkämpfen der Turner ist Albrecht oberster Kampfrichter an den Ringen. Insgesamt sind für die Turnwettkämpfe der Frauen und Männer etwa 50 Unparteiische vor Ort. Rund 2,5 Meter über dem Boden vollführen die Sportler in gut einer Minute ihre Übungen. „Im besten Falle ist es ein harmonisches Zusammenspiel von Kraft- und Schwungelementen“, beschreibt er. Pflicht sind unter anderem zwei Handstände, einer davon geschwungen.

Am Ende gilt das Wort von Holger Albrecht

Die olympische Wettkampfstätte in Barra, etwa 30 Kilometer von Zentrum Rio de Janeiros entfernt, hat der Brandenburger schon in Augenschein genommen. Seinen Platz während der Wettkämpfe kann er gut beschreiben: Als oberster Unparteiischer thront er allein im Rang. Während er das Geschehen an den Ringen aus der Vogelperspektive beobachtet, sitzen seine Kollegen an ihren Tischen nahe der Matte.

Die Regeln, nach denen Punkte vergeben werden, sind für einen Laien nicht auf Anhieb zu verstehen. „Wir schreiben jedes Element mit, schätzen den Schwierigkeitsgrad ein und vergeben die Punkte“, sagt Albrecht. Er gibt als Erster seine Note ab, dann erst die Kollegen. „Erst wenn wir uns einig sind, geht die Wertung in den Computer“, beschreibt er den Verlauf. Als oberster Kampfrichter in der Halle gilt am Ende sein Wort.

Am meisten mag der Potsdamer das Reck

Albrecht, einst selbst als Turner aktiv, studierte in Leipzig. Bis 1994 arbeitete er als Trainer in Potsdam mit jungen Athleten. Schon nebenbei engagierte er sich als Kampfrichter, Ende der 1990er-Jahre erwarb er die Befähigung für internationale Wettkämpfe. „Alle vier Jahre stehen die Prüfungen erneut an“, sagt er. Nur wenn er es unter die ersten 25 von etwa 100 Teilnehmern weltweit schaffe, erhalte er die höchste Kategorie 1, beschreibt er. Bereits fünfmal sei er erfolgreich gewesen. Nach Angaben des Deutschen Turner-Bundes gibt es bundesweit 500 Kampfrichter in den unterschiedlichen Lizenzstufen. 35 von ihnen haben eine internationale Lizenz, etwa 20 wurden bislang eingesetzt. Nachwuchs ist schwer zu finden: Das Ehrenamt kostet viel Freizeit. Für den Nachwuchs werden vor allem ehemalige Turner angesprochen. Seiteneinsteiger gibt es kaum.

Heute ist Albrecht Leiter der Sport-, Physio- und Ergotherapie in der Neu Fahrländer Heinrich-Heine-Klinik für psychosomatische Erkrankungen. „Ich arbeite mit Patienten. Das ist kein Vergleich mit dem Hochleistungssport“, sagt der frühere Turner. Die Kampfrichterarbeit frisst seine Freizeit. In der Saison ist er an fast jedem Wochenende unterwegs. Für die drei Wochen Brasilien gehen drei Wochen seines Urlaubs drauf. Und dann macht Albrecht ein unerwartetes Geständnis. „Ich wäre lieber für das Reck verantwortlich. Die Ringe habe ich mir nicht ausgesucht“, sagt der 57-Jährige, der auch nie gut daran turnte. Er habe sich aber mittlerweile mit dem Gerät angefreundet und das internationale Regelwerk erneuert.

In ozeanblauer Jacke und sandfarbener Hose

Nun noch die Frage, was in den Koffer kommt? „Wichtig ist der Laptop mit Unterlagen“, sagt er. Die Olympia-Ausstattung für Kampfrichter erhält er erst vor Ort. Deshalb muss er seine Körpermaße möglichst genau übermitteln. „In Peking passte nichts“, sagt er. Diesmal wartet auf ihn eine ozeanblaue Jacke, eine bläuliche Krawatte und sandfarbene Hosen. Dazu kann er zwischen Basecap oder breitkrempigen Hut wählen. Was mit der Garderobe am Ende passiert, weiß er noch nicht. Einmal „vergaß“ er eine Jacke in einem Hotel. „Sie war rot. Ich habe sie nie wieder getragen.“

Gudrun Janicke

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