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Landeshauptstadt: Der Kapitän geht nicht von Bord

Er ließ den Karstadt-Lichthof als Denkmal schützen und besitzt ein Bermuda-Dreieck – heute wird Siegfried Grube 65

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Er ließ den Karstadt-Lichthof als Denkmal schützen und besitzt ein Bermuda-Dreieck – heute wird Siegfried Grube 65 Von Sabine Schicketanz „Entspanne dich, lass das Steuer los, trudle durch die Welt, sie ist so schön.“ Diese Aufforderung Kurt Tucholskys findet sich auf der Geburtstagseinladung. Tucholsky Folge zu leisten, hat der Einladende aber nicht wirklich vor. Obwohl er heute 65 Jahre alt wird. „Das Steuer loslassen heißt ja nicht, dass der Kapitän von Bord geht. Auch aus einer Kabine kann man alles im Blick haben, auf die Brücke ist es dann nicht weit“, sagt Siegfried Grube. Ein Lächeln macht sich breit auf seinem Gesicht. Einem, aus dem man das Rentenalter nicht lesen könnte. Und doch Grube ist das, was man gern als Urgestein bezeichnet. Im April 1991 eröffnete er in der alten Markthalle den „Kiezmarkt Grube“, der jetzt, im Neubau an der Breiten Straße, der „Rewe Markt Grube“ geworden ist. An der Potsdamer Straße in Bornstedt gibt es einen zweiten „Grube-Markt“, den dritten in der Roseggerstraße leitet sein Sohn Thomas. Sein „Bermuda-Dreieck“ nennt Siegfried Grube diese nach der politischen Wende entstandene Konstruktion, die er aufbaute, weil eine Anstellung nicht zu haben war. 51 war Grube damals, und man sagte ihm, damit sei er einfach zu alt. Dabei war der Mann, der am 1. September sein 50-jähriges Berufsjubiläum feiert, gerade nach der Wende kaum zu halten. Er wollte seine Ideen umsetzen. 1954 kam Grube aus Niemegk nach Potsdam. Ein Augenleiden hatte dafür gesorgt, dass seine Schwester ihm einen möglichst wenig aufregenden Beruf verordnete: Verkäufer. Gleich nach der Lehre übernahm er die Abteilung Fahrräder/Motorräder im damaligen Konsum-Warenhaus an der Brandenburger Straße. Dass er keineswegs einen langweiligen, sondern einen „spannenden und aufregenden Beruf“ erlernt hatte, darin bestärkte ihn Warenhausleiter Martin Dralle. „Er hat das Warenhaus mit den Augen geleitet“, sagt Grube. „Von ihm habe ich mir vieles abgeguckt.“ Nach Zwischenstationen als Pressereferent und im Großhandelsbetrieb kehrte Grube 1979 ins nun Konsument-Warenhaus genannte Kaufhaus zurück – als stellvertretender Direktor. Als solcher schuf er nicht nur sich selbst eine bleibende Erinnerung an diese Zeit: Grube setzte durch, dass der Lichthof, auf sein Kommando in einer Nacht- und Nebelaktion gereinigt und neu gemalert, unter Denkmalschutz gestellt wurde. „Den kann selbst Karstadt nicht wegreißen. Das ist ein Stück Heimat, was mir erhalten bleibt.“ Geblieben ist auch die Aufgabe, die Grube ab 1985 übernahm. Als Direktor der „Handelsnetzgestaltung“ war er für die Brandenburger Straße verantwortlich – eine Art Citymanager zu DDR-Zeiten. Ob Frühlingsfest oder Weihnachtsmarkt, über die damaligen Attraktionen gerät Grube ins Schwärmen. Auch die Aktion „Kunstpflaster“, bei der 1990 die Innenstadthändler Werke von 48 Künstlern zeigten, organisierte er. „Aber heute tut es mir innerlich sehr weh, was aus der Straße geworden ist.“ Überhaupt kann Grube Verfall nur schlecht ertragen: Für die Reparatur der Glockenaufhängung in der Bornstedter Kirche spendete er, 1000 weitere Euro für das Kirchdach sind schon gesammelt. Auch dem Kanu-Club Potsdam will Grube mit einem Benefiz-Sekt helfen, hier muss das Ruderhaus erneuert werden. Außerdem will er noch dieses Jahr das Buch „Rezepte meiner Kunden“ herausbringen. Tucholsky muss also warten, Grube behält das Steuer in der Hand. Außer vielleicht, um sich mit Margit, seit 44 Jahren seine Ehefrau, einen Wunsch zu erfüllen. „Eine Reise, über den Rhein oder die Donau.“ Per Schiff, wie es sich für einen Kapitän gehört.

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