FRIEDRICH III.: Der kleine Prinz
Für Olaf Brauer war es ein Zufallsfund, aber mittlerweile ist er überzeugt: Er hat auf einem Berliner Antikmarkt die älteste bekannte Hohenzollern-Fotografie überhaupt erstanden. Sie zeigt den späteren 99-Tage-Kaiser Friedrich III. in jungen Jahren
Stand:
Es war ein Glückstreffer. Olaf Brauer entdeckt das Porträt auf dem Antikmarkt in der Straße des 17. Juni in Berlin. Auf solchen Märkten stöbert Brauer regelmäßig nach Fotografien aus allen Epochen, erzählt er. Denn Fotografien sind sein Steckenpferd. „Von alt bis modern“, sagt der Archäologe, der momentan auf dem Marktplatz von Wittstock die mittelalterlichen Schichten freilegt. Vor allem aber interessieren ihn Werke aus der Anfangszeit der Fotografie, zum Beispiel die metallisch schillernden Daguerreotypien – benannt nach dem französischen Erfinder Louis Jacques Mandé Daguerre. Eine solche Daguerreotypie findet Olaf Brauer an jenem Tag auf dem Markt in Berlin. Das gerahmte Bild zeigt einen schmollenden Teenager, in eine maßgeschneiderte Uniform gesteckt, die trotzdem zu eng scheint.
Es ist der an die linke Brust geheftete Orden, der Brauer gleich aufmerken lässt: „Das ist der Bruststern des Schwarzen Adlerordens, der Orden der Hohenzollern“, erklärt der 47-Jährige. Und er weiß: Tragen durften ihn nur Männer ab dem 30. Lebensjahr – und die Hohenzollernprinzen selbst. Brauer lässt es drauf ankommen und blättert „mehrere Hundert Euro“ für das gerahmte Porträt auf den Tisch.
Zwei Jahre ist das her. Seitdem hat der Potsdamer geforscht, gelesen, andere Aufnahmen aus der Hohenzollern-Familie studiert und mit Experten gesprochen. Mittlerweile ist er überzeugt: Das Bild zeigt Friedrich III., den späteren König von Preußen und zweiten deutschen Kaiser, in seinen Jugendtagen. Erst im Juni dieses Jahres hat sich der Todestag von Friedrich III., der 1888 nach nur 99 Tagen im Amt an Kehlkopfkrebs starb, zum 125. Mal gejährt. Laut Brauer handelt es sich bei dem auf dem Markt erstandenen Porträt sogar um die älteste bekannte Fotografie aus der Hohenzollern-Dynastie – und gleichzeitig um eine der ältesten Daguerreotypien auf deutschem Boden überhaupt.
Entstanden ist sie seinen Forschungen zufolge um das Jahr 1841, also nur zwei Jahre nachdem die neue fotografische Technik von Daguerre in Paris erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Wie auf einen Spiegel fotografiert wirken die Daguerreotypien. Kippt man sie im richtigen Winkel gegen das Licht, entfalten sie einen Detailreichtum, der bis dahin nicht vorstellbar war.
In Deutschland begeisterte sich der Berliner Gelehrte Alexander von Humboldt gleich für das neue Verfahren und überzeugte den Berliner Kaufmann Louis Friedrich Sachse davon, sich einen Daguerreotypie-Apparat zu kaufen. Für Porträtaufnahmen war die Gerätschaft anfangs jedoch kaum brauchbar, weil die Belichtungszeiten extrem lang waren, erzählt Brauer. Sachse experimentierte in den Folgejahren und konnte mit verbesserten Linsen die Belichtungszeit immer weiter verkürzen. Er war damals einer von gerade mal einer Handvoll praktizierenden Fotografen in Deutschland, sagt Brauer: „Die Daguerreotypie war noch in der Probierphase.“ An einer Hand abzählbar seien auch die bekannten Daguerreotypien aus diesen Jahren.
Aus dieser Anfangszeit, meint der studierte Archäologe, stammt auch das Prinzen-Bild. Darauf weise das ungewöhnliche Format hin: Erst ab 1844 habe es für die frühen Fotoapparate standardisierte Platten – verwendet werden versilberte Kupferplatten – gegeben. Das Prinzen-Porträt habe dagegen ein abweichendes Plattenmaß, sehr wahrscheinlich eine Spezialanfertigung. Der Vergleich mit einem etwas jüngeren Porträt von Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen – so der volle Name des Prinzen –, das um 1845 aufgenommen wurde und heute im Nachlass Kaiser Wilhelms II. in der Sammlung Haus Doorn in den Niederlanden aufbewahrt wird, gab den entscheidenden Hinweis auf die Identität des Porträtierten.
Die Konfirmation des Prinzen im Alter von etwa zehn Jahren könnte der Anlass für die Aufnahme gewesen sein, vermutet Olaf Brauer: Denn zur Konfirmation hätten die Preußen-Prinzen jeweils Uniform und Orden erstmals getragen. Dass der 1831 im Neuen Palais geborene Prinz über das Kostüm nicht besonders erfreut war, zeigt sein Gesichtsausdruck: „Der Unmut ist spürbar, es ist ein beseeltes Foto“, findet Olaf Brauer.
Zeigen kann er die Platte im Original nicht – denn das Bild ist momentan bei Experten in Hamburg. Von dort will er es irgendwann wieder abholen, persönlich. Denn: „Wer will so was versichern?“
Was mit dem Porträt passieren soll, weiß Brauer noch nicht. Er hat es zwischenzeitlich im Internet zum Verkauf angeboten, im Mai war es sogar bei der Pariser Filiale des Auktionshauses Sotheby’s zu haben: Sotheby’s schätzte den Wert auf zwischen 4000 und 6000 Euro. Gekauft hat niemand. Trotzdem macht die Nachricht vom neuen Porträt langsam die Runde in Expertenkreisen, auch der Wikipedia-Eintrag zu Friedrich III. zeigt das Bild mittlerweile. Ob Olaf Brauer es überhaupt noch verkaufen würde? Der 47-Jährige zögert mit der Antwort. „Für Leihgaben wäre ich offen“, sagt er.
Prinz Friedrich Wilhelm wurde am 18. Oktober 1831 im Neuen Palais geboren. Er studierte Jura in Bonn und heiratete 1858 Prinzessin Victoria, die älteste Tochter der britischen Königin Victoria. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 war Friedrich Wilhelm, mittlerweile Kronprinz, Feldherr bei den preußischen Truppen und nahm an der Belagerung von Paris teil. Nach der Reichsgründung galt der Kronprinz als liberaler Gegner Bismarcks. Nach anhaltenden Heiserkeitsbeschwerden diagnostizierte der Chirurg Ernst von Bergmann 1887 Kehlkopfkrebs, ab November weilte Friedrich Wilhelm im italienischen Kurort San Remo. Als er durch den Tod seines Vaters am 9. März 1888 Kaiser wurde und nach Berlin zurückkehrte, konnte er bereits nicht mehr sprechen. Friedrich III. starb am 15. Juni, sein Sohn Wilhelm II. übernahm. Das Jahr ging als „Dreikaiserjahr“ in die Geschichte ein. PNN
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: