Homepage: „Der Kollaps der Menschheit droht“
IASS-Direktor Carlo Rubbia über die dringende Notwendigkeit der Energiewende, CCS und Solarenergie
Stand:
Herr Rubbia, was macht Ihre Arbeit am IASS so dringend notwendig?
Die Menschheit steht vor dem fundamentalen Problem, in der Zukunft über ausreichende und bezahlbare Energie verfügen zu können.Davon hängt unsere Zukunft entscheidend ab. Ziel ist es, weg von der fossilen Energiegewinnung und hin zu nachhaltigen und klimafreundlichen Lösungen zu kommen. Diese Themen werden unter anderem im IASS erforscht. Grundsätzlich suchen wir eine ganzheitliche Form, um transdisziplinär und international den Klimawandel, Komponenten des Erdsystems und der Nachhaltigkeit zu untersuchen. Wir wollen dabei zum Querdenken motivieren und gleichzeitig wissenschaftliche Höchstleistungen ermöglichen.
Was passiert, wenn die Energiewende verpasst wird?
Sollte die Energieversorgung nicht mehr gewährleistet sein, würde es zu einem Kollaps für die Menschheit kommen. Unsere Gesellschaft – und ich möchte hier hervorheben, dass die Weltbevölkerung um drei Menschen pro Minute wächst, das heißt 90 energiehungrige Millionen im Jahr – benötigt dringend neue Lösungen.
Was halten Sie von dem Vorhaben, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) unterirdisch einzulagern?
Die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund ist nur in geringen Mengen und für eine begrenzte Dauer eine praktikable Lösung. Es ist keine endgültige Lösung. Die durchschnittliche Lebenszeit von anthropogenem Kohlendioxid in der Atmosphäre beträgt 33 000 Jahre, die von Plutonium aus der Atomkraft liegt im Vergleich bei 27 000 Jahren.
Welchen Ansatz wollen Sie in Sachen CO2 am IASS verfolgen?
Im Forschungsprogramm Erdsystem, Energie und Umwelt, das von mir geleitet wird, soll am IASS unter anderem die Verbrennung von Methan ohne CO2-Ausstoß vorrangig erforscht werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Wiedergewinnung von CO2 für die Methanol-Produktion. Ziel ist es dabei, ein fossiles flüssiges Material zu finden, welches Erdöl ersetzt. Wahrscheinlich wird dies Methanol sein. Das Kohlendioxid würde in diesem Fall bei der Energiegewinnung aus Erdgas nicht, wie bei der CCS-Methode vorgesehen, gespeichert, sondern in flüssigen Brennstoff umgewandelt werden.
Das heißt, man könnte irgendwann in der Zukunft mit umgewandeltem CO2 ein Auto betanken?
Ja, das wäre durchaus denkbar.
Wann könnte es soweit sein?
Wir erforschen im Moment diese Möglichkeit, die Umsetzung kann ohne den Beitrag der Industrie jedoch nicht erfolgen. Der steigende Ölpreis wird dabei auch eine entscheidende Rolle spielen.
Wie lässt sich Methan ohne CO2-Ausstoß verbrennen?
Es handelt sich dabei um einen bekannten Prozess, bei dem Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff gespalten wird.
Sie hatten auf dem Nobelpreisträger-Treffen in Potsdam 2007 gesagt, dass die Sonne die Lösung des Energieproblems sei. Welches Potenzial steckt in unserem Gestirn?
Die Sonne ist wahrhaftig eine unerschöpfliche Energiequelle, die unseren Planeten vollständig versorgen könnte. Die Technologie hat große Fortschritte gemacht. Unsere Bemühungen zielen jetzt auf die Entwicklung kostengünstigerer Lösungen ab. Zusätzlich beschäftigen wir uns am IASS auch mit der Frage, wie sich diese Energie über weite Strecken transportieren oder besser speichern lässt.
Wie weit ist der Aufbau des IASS vorangekommen?
Alle drei Direktoren sind benannt und wir beschäftigen eine zunehmende Anzahl von Gastwissenschaftlern aus der ganzen Welt. Besonders wichtig scheinen mir die internationalen Forschungsabkommen zu sein, die wir unterzeichnet haben, wie zum Beispiel mit CERN und CEPAL, der Kommission der Vereinten Nationen für die wirtschaftliche Entwicklung von Lateinamerika sowie zahlreichen Universitäten und Forschungszentren.
Ihr Ausblick in die Zukunft?
Wir müssen in Anbetracht des derzeitigen globalen Energiewachstums von zwei Prozent, der Zunahme der Weltbevölkerung – 10 bis 12 Milliarden Menschen bis 2100 – und des Endes des fossilen Zeitalters, immense neue Forschungsbemühungen unternehmen. Für die Sicherung der Energieversorgung der Menschheit gilt es, neue zukunftsträchtige Energieformen zu erforschen, die im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen werden. Darin sehe ich eine spannende Herausforderung für die kommende Generation: eine wichtige Aufgabe für unsere jungen Forscher.
Fragen von Jan Kixmüller
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: