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Was die Welt im Innersten zusammenhält. Michael Hofreiter vom Institut für Biochemie und Biologie an der Universität Potsdam ist Gen-Forscher. Ihn interessieren aber nicht nur Menschen, sondern vor allem auch Tiere – wie etwa dieser Narwal, aus dessen Schädel er eine Probe nimmt.

© Daniel Bockwoldt/dpa

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Michael Hofreiter, Professor für Evolutive Adaptive Genomik, hat das Skelett des legendären Gewaltherrschers Richard III. entschlüsselt – jetzt lehrt er an der Universität Potsdam

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Menschliche DNA ist überall“, sagt Michael Hofreiter, Professor für Evolutive Adaptive Genomik an der Universität Potsdam. Der Wissenschaftler untersucht menschliche Gene, die fänden sich auch in Spuren von Schweiß oder Hautschuppen. Die Bezeichnung seines Fachgebietes hatte sich die Universität speziell für den Lehrstuhl ausgedacht. Seit 2013 lehrt er in Potsdam, vorher unterrichtete er in England an der Universität von York. „Deutsche Berufungsverfahren sind sehr umständlich und nach meiner Promotion und einigen Jahren als Nachwuchswissenschaftler mit verschiedenen Zeitverträgen habe ich in Deutschland zunächst keine Perspektiven gesehen“, sagt der Biologe – deshalb ging er erstmal auf die Insel.

Dort allerdings gelang ihm ein ziemlicher Coup, als er mit seiner 15- köpfigen Arbeitsgruppe die DNA eines 500 Jahre alten Skelettes entschlüsselte. Hofreiter wies nach, dass es sich dabei um die bröckligen Überreste des legendären Gewaltherrschers und Intriganten Richard III. handelt. Der unmittelbar auf die Entschlüsselung folgende Hype war groß. „Wir hatten gar nicht damit gerechnet, so schnell Erfolg zu haben“, so Hofreiter. Aber gleich der erste Fund habe sich als Volltreffer erwiesen. Die Genetikerin Turi King hatte Hofreiter 2012 als Spezialisten zur Entschlüsselung der DNA aus den Knochen angesprochen, die sie unter einem Parkplatz in Leicester gefunden hatte. Turi King hatte sich zuvor von Hofreiter in der Entschlüsselung alter DNA weiterbilden lassen.

Aus historischen Karten hatte die Wissenschaftlerin gefolgert, dass es sich bei dem Parkplatz um die Grabstätte handeln müsse. Denn genau dort stand einst die Klosterkirche, in der Richard III. bestattet wurde. „Eigentlich war es eher eine forensische Herausforderung“, beschreibt Hofreiter die Forschung an den historischen Überresten. Denn der Identitätsnachweis konnte nur gelingen, weil die Gene des Ahnen mit denen heute lebender Nachfahren übereinstimmten. Die allerdings mussten in mühsamer Kleinarbeit aus Geburtsurkunden und Kirchenregistern herausgepuzzelt werden. Nachdem sich die Identität der gefundenen Knochen bestätigt hätte, sei in England ein regelrechter Mediensturm losgebrochen, so Hofreiter. Mittlerweile ist Richard III. erneut ordentlich beerdigt worden, diesmal in einer Ruhestätte, über der wohl so schnell nicht noch einmal ein Parkplatz gebaut wird.

Schon häufiger hat die Forschung von Hofreiter zu spektakulären Ergebnissen geführt. Süßwasserhaie, ausgestorbenen Riesenfaultiere, Tausende von Jahren zurück liegende Völkerwanderungen: das Forschungsgebiet des Biologen ist recht umfassend. Hofreiter untersucht vor allem die DNA ausgestorbener Tiere und Menschen. Tiere sind dem Forscher allerdings lieber, denn: „Menschliche alte DNA ist häufig kontaminiert mit moderner menschlicher DNA.“ Aus dem Vergleich mit den Genen gegenwärtiger Lebewesen lassen sich Schlussfolgerungerungen für die Entwicklung der untersuchten Art ziehen. In den vergangenen Jahren hat die Sequenzierung, also die Aufschlüsselung und Beschreibung von Genen, erhebliche Fortschritte gemacht. Die Entschlüsselungsverfahren sind sehr viel billiger geworden und lassen sich auch viel schneller durchführen als noch vor einigen Jahren.

Als Hofreiter nach Potsdam kam, finanzierte die Universität ihm eine großzügige Laborausstattung. Zu der gehörte auch ein Sequenzierer für die Analyse von Genomen. Selber im Labor steht Hofreiter allerdings nicht mehr. „Ich mache Vorschläge für die Analyse, organisiere den Arbeitsablauf und die Beschaffung von Proben und diskutiere die Analysen mit den Studenten“, beschreibt er seinen täglichen Arbeitsablauf.

Gegenwärtiges Thema ist der Genfluss zwischen eiszeitlichen Säugetierpopulationen. Wann haben sich welche Säugetiere wo ausgebreitet? Wie sind sie gewandert? Bereits vor einiger Zeit hatte Hofreiter bei der Analyse von Genomen, die von Ureinwohnern der ungarischen Tiefebene stammten, mitgewirkt. Aus den zum Teil 5700 Jahren alten Gensequenzen im Vergleich mit jüngeren Funden folgerte das Team um die Biologin Cristina Gamba von der Universität College Dublin (Irland), dass es um das Jahr 2000 vor Christus erhebliche Wanderbewegungen in Eurasien gegeben habe.

Die heutigen Europäer setzen sich demnach aus mindestens drei verschiedenen Populationen zusammen. Es habe aber auch Wanderbewegungen von Europa zurück nach Afrika gegeben, sagt Hofreiter. So sei der Ackerbau auf den verschiedenen Kontinenten verbreitet worden. „Insgesamt sind wir Menschen genetisch gesehen ein großer Mischmasch“.

Aus der regen Reisetätigkeit unserer Vorfahren könne nun aber nicht geschlossen werden, dass die Wanderbewegungen stets konfliktfrei von statten gegangen seien. „Man kann vom Sein nicht auf das Sollen schließen“, sagt Hofreiter. Wie jedoch die Völker in den früheren Jahrtausenden gelebt hätten, welche Konflikte sie ausgetragen haben, das sei eine Frage der Archäologie und der Soziologie, also der Wissenschaften, die sich mit den gesellschaftlichen Umständen des menschlichen Lebens befassen würden.

Michael Hofreiter und sein Bruder, der Grünen-Spitzenpolitiker Anton Hofreiter, entdeckten ihre Leidenschaft für die Biologie schon früh. „Wir haben Fische gezüchtet, erst Guppys, dann ostafrikanische Buntbarsche. Sieben oder acht Jahre war ich damals alt, mein Bruder drei Jahre älter“, erinnert er sich. Mit dem eigenen Aquarium und der Aufzucht der Fische sei auch das Interesse an deren Vererbungsregeln einhergegangen. Im Biologie Leistungskurs hat ihn dann sein Lehrer endgültig für sein späteres Studienfach begeistert.

Richard Rabensaat

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