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Um Balance bemüht. Wolfgang Loschelder (1940-2013) suchte den Ausgleich zwischen Ost und West wie auch zwischen den Disziplinen.

© Karla Fritze

Homepage: Der Mittler

Der langjährige Rektor der Universität Potsdam, Wolfgang Loschelder, ist gestorben. Von 1995 bis 2006 stand er an der Spitze der Hochschule, der Verwaltungsrechtler aus Bochum gehörte zu den Professoren der ersten Stunde in Potsdam.

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Er war ein Mann des Ausgleichs. Als Wolfgang Loschelder wenige Jahre nach der Gründung der Universität Potsdam 1995 Rektor der Hochschule wurde, war vor allem die Zusammenführung von Ost und West sein Anliegen. In der Nacht zu Donnerstag ist Wolfgang Loschelder nach langer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben. Elf Jahre lang war der Jurist Rektor der Potsdamer Universität. Nach der Aufbauphase unter Gründungsrektor Rolf Mitzner kam Loschelder eine prägende Rolle in der Geschichte der Potsdamer Alma Mater zu. Loschelder galt als Brückenbauer, als großer Rhetoriker, der einen „guten Streit“ zu schätzen wusste, einer, der um die Balance zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bemüht war.

Von 1995 bis 2006 hatte Wolfgang Loschelder an der Spitze der Hochschule gestanden. Der Verwaltungsrechtler aus Bochum gehörte zu den Professoren der ersten Stunde in Potsdam. Bereits 1991 hatte der Jurist die Ruhr-Uni verlassen und in Potsdam eine Professur für Verwaltungs- und Umweltrecht übernommen. Als Rektor hatte sich der in Rom geborene Loschelder vor allem der Ost-West-Integration angenommen. Eine Herausforderung, an der anderswo nicht wenige gescheitert sind.

Loschelder war bekannt dafür, harmoniestiftend und stets gesprächsbereit zu sein. Er zeigte Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Kollegen und baute eher auf den gesunden Menschenverstand als auf Vorschriften. Dass der Studierendenausschuss 2004 seine Abwahl initiieren wollte, hatte ihn hart getroffen. Nicht die Auseinandersetzung, das gehört für ihn zum Geschäft dazu. Bitter aber fand er, dass teilweise unter der Gürtellinie gekämpft wurde. Schließlich war Loschelder der Letzte, der nicht mit den Studierenden zusammen für eine bessere Hochschule kämpfen wollte. Unvergessen der Marsch der protestierenden Studierenden und Dozenten zum Potsdamer Landtag im August 1996. In einem Bettlerkostüm führte Rektor Loschelder den Protest gegen Stellenstreichungen, Stellensperren und die drohende Kürzung von Geldern damals an.

Als schwerste Zeit in seinen 16 Jahren an der Potsdamer Uni bezeichnete Loschelder seine Jahre als Prorektor 1994-95. Damals wurden alle Mitarbeiter auf eventuelle Stasi-Kontakte durchleuchtet. Dieses Verfahren hatte ihn außerordentlich belastet. „Es ging ja um menschliche Schicksale, meist waren auch Familien betroffen“, hatte er den PNN einmal in einem Gespräch gesagt. Und einige mussten gehen. Es sei deutlich geworden, dass Schwarz und Weiß im Leben selten sind, man es vielmehr meist mit einer Abstufung von Grautönen zu tun habe. „Wie man sich auch entschied, ein schaler Geschmack blieb oft.“

In Loschelders drei Amtszeiten fielen wichtige Schritte in der Entwicklung der Potsdamer Uni. Der Wissenschaftscampus Golm wurde ausgebaut, die religionsrechtlichen Institute und Professuren errichtet, der erste Sonderforschungsbereich etabliert und die ersten drei an der Potsdamer Uni ausgebildeten Rabbiner ordiniert. Wolfgang Loschelder war für eine lange Zeit das „Gesicht der Universität Potsdam“, wie die ehemalige Brandenburger Wissenschaftsministerin und heutige Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) einmal formulierte.

Zu den ganz großen Ereignissen seiner Rektorenzeit zählte Loschelder die Ordination der ersten drei an der Universität ausgebildeten Rabbiner. Es war das erste Mal, dass seit 1942 in Deutschland wieder Rabbiner ordiniert wurden. „Wir können nicht gutmachen, was geschehen ist. Aber wir können dazu beitragen, dass die wichtige Rolle, die die Juden einst in Deutschland gespielt haben, wieder aufgenommen wird“, sagte Loschelder über das Ereignis. Dass nun an seiner ehemaligen Hochschule eine für Deutschland einzigartige Ausbildung für Jüdische Theologie entstehen soll, dürfte Loschelder mehr als gefreut haben. Dem Christen Loschelder ging es nie um Missionierung. Dass junge Menschen heute häufig die biblischen Inhalte der klassischen Kunst nicht mehr erkennen würden, das wollte er ändern. Ihm war wichtig, diese Inhalte wieder verstärkt zu lehren, vor allem auch im Osten, wo nur wenige Menschen getauft sind.

Aus dem Westen kommend war die Wendezeit für Loschelder nicht nur inspirierend, wie er sich rückblickend erinnerte. Als er im Park Babelsberg 1991 zum ersten Mal in den Hörsaal kam, habe eine eisige Stimmung geherrscht. Der juristische Studiengang war gerade zum zweiten Mal geschlossen worden. Aber Loschelder ließ sich nicht beirren. Von Anfang an habe er gesagt, dass er hier in Potsdam bleiben und dazu gehören wollte. Ihm war neben dem Aufbau der wissenschaftlichen Einrichtung gerade die Zusammenführung von Ost und West wichtig gewesen. Damals habe man sofort sagen können, wer aus Ost oder West kam. Dass das heute nicht mehr so ist, das hatte Wolfgang Loschelder nach dem Ende seiner Rektorenzeit als den schönsten Erfolg dieser Jahre bezeichnet.

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