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Lüge und Wahrheit. Bei Ingmar Bergman lagen sie dicht beieinander.

© dpa

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Ingmar Bergman schuf das Bild seines Lebens

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Großartiges habe er geschaffen. Sein Werk werde den Menschen viel mehr Erkenntnis schenken, als er, der Pfarrer, es je vermocht hätte. So lobt Erik Bergman seinen Sohn Ingmar Bergman in einem Brief anlässlich einer Filmproduktion. Das erstaunt, sieht die Filmgeschichte doch gerade in den schwierigen Familienverhältnissen von Bergmanns Eltern und von diesen zu ihm einen Schlüssel zum Werk des Regisseurs.

Bergman inszenierte nicht nur seine Filme und Theaterstücke, sondern auch seine Biografie. „Lüge und Wahrheit“, so der Titel eines Symposiums des Potsdamer Einstein Forums zusammen mit der Deutschen Kinemathek und dem Museum für Film und Fernsehen, lagen nicht nur in den Inszenierungen des Schweden nah beieinander, sondern auch im wirklichen Leben. In seiner Autobiografie „Mein Leben“ (Laterna Magica) aus dem Jahr 1987 schildert der Regisseur seine bedrückende Kindheit und die Belastungen, die er als Sohn durchlitt.

Das Thema der Schuld und Sprachlosigkeit innerhalb der Familie zieht sich durch eine ganze Reihe von Filmen des vielfach ausgezeichneten Regisseurs. Der Film „Die besten Absichten“ des Regisseurs Bille August, zu dem Bergman das Drehbuch schrieb, erschien vielen Kritikern wie eine detailgenaue Beschreibung der problematischen Kindheit Bergmans. Der provozierte diese Deutung dadurch, dass er die Handlung an Orten aus seiner persönlichen Biografie spielen ließ und legte die Vermutung nahe, es handele sich um die Beschreibung der Ehe seiner Eltern. Der Film schildert, wie eine zunächst glückliche Ehe schließlich im täglichen Kleinkrieg zerbricht. Auch weitere Filmsets in denen Familienleben implodiert, beispielsweise in Fanny und Alexander, lehnen sich unmittelbar an das Leben des Regisseurs an.

Es muss eine sehr belastende Kindheit mit einem recht verständnislosen Vater gewesen sein, legen die Filme nahe. Fotos in der Ausstellung der Deutschen Kinemathek zeigen allerdings den Vater von Ingmar Bergman als durchaus freundlich wirkenden Herrn, umringt von seiner Familie und im Spiel mit seinem Sohn. Ganz so dramatisch wie der Regisseur vermuten ließ, war seine Kindheit wohl nicht. „Bergman hat einen Mythos vom Zerwürfnis mit seinen Eltern geschaffen und damit auch gespielt“, stellt Nils Warnecke, einer der Kuratoren fest. Dies habe ihm auch Lena Bergman, eine Tochter des Regisseurs im persönlichen Gespräch bestätigt. Die Familie des Schweden habe dies allerdings akzeptiert. Ganz bewusst schilderte Bergman seinen schwierigen familiären Hintergrund nicht zuletzt um seinen Filmen ein zusätzliches Quantum an Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Überhaupt schreckte der Regisseur bei der Inszenierung der persönlichen Biografie vor wenig zurück. So schrieb er schon im vorhinein das Skript für die eigene Beerdigung. Als dann seine zwölf Jahre jüngere Frau Ingrid von Rosen 1995 an Krebs starb, trauerte er auch über das fehl geschlagene Drehbuch, das seinen Tod zuerst vorsah, wie sich aus Notizen im Bergman Archiv ergibt.

Zwölf Jahre später erschien dann das Buch „Der weiße Schmerz“, in dem Ingmar Bergman, seine Frau Ingrid Bergman und die gemeinsame Tochter Maria von Rosen ihre Tagebuchaufzeichnungen veröffentlichen und den Verlauf der Krankheit und schließlich den Tod der Frau und Mutter schildern. Hier erscheint die Person Bergmans in sich widersprüchlicher. Die Veröffentlichung demontiert ein wenig das Bild vom Regiegenie, dem selbst der Kollege Kubrick seine Aufwartung machte.

Wie gründlich Bergman sein Bild in der Öffentlichkeit konstruierte, zeigt die Ausstellung in der deutschen Kinemathek (bis 29. Mai, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin). „Ich bin nicht interessiert an der Vergangenheit“, erklärte der Regisseur öffentlich. Tatsächlich aber hortete er jede Regienotiz um schließlich im Jahre 2002 ein ganzes Konvolut zur Archivierung dem Schwedischen Filminstitut und der Ingmar Bergman Stiftung zur Aufarbeitung zu übergeben. So kann die Kinemathek nun detailgetreu den Weg Bergmanns nachzeichnen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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