Landeshauptstadt: Der närrische Blick zurück
Potsdamer Karnevalisten feiern die „Goldenen Zwanziger“ und die Blauhemd-Ära
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„Für Frieden und Sozialismus, seid bereit“ Und aus rund 200 Kehlen schallt es am Samstagabend „Immer bereit!“. Gott sei Dank ist Karneval, ansonsten wäre der Eklat vorprogrammiert. Aber Narren dürfen das. Der Potsdamer Karnevalsclub (PKC) ist in dieser Saison jedoch nicht der einzige, der sich für sein Programm in der Vergangenheit bedient. Auch bei den Narren des Lindenpark-Karnevalsclub LKC wird der Blick zurück gewagt.
Mit Blauhemd, Halstuch und viel Liedgut aus der Pionierzeit würzt der PKC besonders den zweiten Teil des Programms. „Das Publikum ist textsicher, das hätte ich nie geglaubt“, freut sich PKC-Präsident Hans-Georg Meyer, der mit einer Abordnung gestern beim Umzug der Berlin-Brandenburger Karnevalsvereine in die Hauptstadt gereist ist. Gemeinsam wird in Alt-Drewitz „Unsere Heimat“ geträllert, es scheint sich schön zu kuscheln in DDR-Kindheitserinnerungen. Noch weiter zurück reicht die Kostüm-Anleihe von Andreas Luedtke und Sohn, die beide zum PKC als Musketiere kamen. „Selbstgeschneidert von meinem Mann“, sagt Gaby Luedtke stolz. Sie selbst kam als Dame der „Roaring Twenties“ – und hätte damit besser in den Lindenpark gepasst, der LKC verschrieb sich in dieser Saison nämlich den Goldenen Zwanzigern.
Im Jahr vor der Jubiläums-Saison – 2009 feiert der LKC 30-jähriges Bestehen – wurde das Babelsberger Stammhaus zum Betreuten Wohnen, in dem die Moderatoren Andreas Brandt und Marco Flöter ihren 110. Geburtstag mit Erinnerungen an die gute alte Zeit begingen. Besonders voll war die Raucher-Lobby - verständlich, gehörte doch die Zigarettenspitze zur Grundausstattung jeder Dame von Welt in den 20er Jahren. So war denn auch der Unmut vieler Raucher(innen) verständlich, in qualvoller Enge dem Laster zu frönen. Selbst „konsequente Nichtraucher“, wie sich die Potsdamerin Alexandra Knuth bezeichnete, bevölkerten mit imitierten Zigarettenstummel die Lounge des Blauen Dunsts. Und Sandra Cleary, stilecht mit Federboa, kurzem Kleid und Stirnband erschienen, sprach den Wunsch vieler aus: „Das Rauchen hätte für dieses Thema überall erlaubt sein sollen.“
Karneval und Tabak scheinen zusammenzugehören, auch in Groß Glienicke sammeln sich Pippi Langstrumpf, Knastis und Indianerfrauen vor der Tür der Preußenhalle. Drinnen begeistert CC GG- Präsident Matthias Völker derweil als Funkenmariechen die Massen. „2009 kann ich den Spagat“, versprach er nach der umjubelten Performance.
Die Halle in Groß Glienicke war im November auch Schauplatz eines lang gehegten Traums: Eine gemeinsame Veranstaltung aller Potsdamer Karnevalsvereine. Erinnerungen an die legendären Faschingsshows im Kulturhaus „Hans Marchwitza“ kamen da auf. „Für einen einzelnen Verein ist solch eine große Veranstaltung aber nicht mehr zu stemmen“, weiß PKC-Präsident Meyer aus leidvoller Erfahrung. Kurz nach der Wende versuchte es der Verein und verhob sich finanziell fast daran. Doch gestorben ist die Idee nicht. Wenn im kommenden Herbst die Metropolis-Halle auf dem Filmpark- Gelände eröffnet wird, sehen zumindest PKC-Chef Meyer und LKC-Präsident Folkhard Kaufmann durchaus die Chance, dort einen gemeinsamen Karneval zu veranstalten.
Der PKC feiert heute ab 17 Uhr im Alt-Drewitzer „Lindenhof“, Neuendorfer Straße 70, der LKC im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76 ab 20 Uhr.
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