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Homepage: Der nationale Anti-Nationalist

Wissenschaftler im Einstein Forum beschäftigten sich gestern mit Einstein und seinen zionistischen Ideen

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Was hat ein ausgemachter Menschenfreund und Anti-Nationalist mit einem Staat zu tun, dem Menschenrechtsorganisationen schon seit Jahren die permanente Unterdrückung eines Volkes vorwerfen? Was verbindet Albert Einstein mit der Gründungsidee des Staates Israel, dem Zionismus? „Sehr viel“, sagte Matthias Kroß, der gestern im Einstein Forum einen langen Nachmittag zum Thema: „Einstein und die zionistische Idee im 21. Jahrhundert“ initiiert hatte. „In der Geschichtsschreibung fällt oft ein wenig herunter, dass Einstein ein bekennender Zionist war – allerdings war er mit den dabei verwendeten Methoden ganz und gar nicht einverstanden.“

Einsteins Engagement für die zionistische Idee eines Landes für die Juden in der Welt beginnt in der Zeit um den Ersten Weltkrieg herum, erläuterte Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums, in ihrer Einführung. „Er hat den immer stärker werdenden Antisemitismus in Europa gespürt.“ Eine Antwort auf den Hass fand Einstein bei den Thesen von Theodor Herzl. Dieser hatte in seiner Schrift „Der Judenstaat“ einen jüdischen Staat für dringend notwendig befunden – und darin gleich einen Plan für dessen Gründung ausgearbeitet.

Einstein schlug sich auf die Seite von Herzl, ohne jedoch jemals einer zionistischen Organisation beizutreten. „Selbst bei vielen Intellektuellen dieser Zeit gab es eine Kultur der Judenfeindlichkeit“, sagte Neiman. Was dagegen tun? Einstein wollte die jüdischen Traditionen und Gebräuche nicht untergehen lassen. Doch ein möglicher eigener Staat war auch bei den Juden selbst umstritten. Vor allem in Deutschland gab es viele Juden, die sich durch Anpassung vor Anfeindungen schützen wollten und deswegen die Traditionen und Rituale des jüdischen Glaubens nicht mehr praktizierten – doch das wollten die Zionisten nicht.

Ein Land möglichst fernab von Europa für die über die Welt verstreuten Juden sollte gefunden werden, neben Palästina war sogar Argentinien im Gespräch. „Es ging dabei noch nicht um Religion und um die Vorstellung des Heiligen Landes Israel“, meinte gestern dann auch Shlomo Avineri, in den 70er Jahren Außenminister Israels und heute Politologe an der Hebräischen Universität in Jerusalem.

An dieser Hochschule arbeiten die meisten Teilnehmer des Workshops im Einstein Forum. Dies ist wohl nicht nur Zufall, schließlich ist der Name Einstein eng mit der 1925 eröffneten Universität verbunden. So diente seine erste USA-Reise mit dazu, Spenden für das Haus zu sammeln. 1923 war Einstein bei der Grundsteinlegung mit dabei, 1925 wurde er zum Mitglied des Verwaltungsrats der Universität berufen, und in seinem Testament verfügte Einstein, dass sein gesamter schriftlicher Nachlass an die Hebräische Universität überstellt werden sollte – wo er noch heute liegt. Das Engagement von Einstein passt mit seinem idealistischen Bild eines möglichen jüdischen Staats zusammen, die Uni sollte innovative wissenschaftliche Forschung mit den Ideen von Toleranz und intellektueller Freiheit verbinden.

Doch wird heute der Zionismus als nationalistische Bewegung gegeißelt, als Ideologie, die die Unterdrückung des palästinensischen Volkes begründet. „Die Hardcore-Zionisten von heute haben kein Recht sich auf Einstein zu berufen“, sagte Matthias Kroß vom Einstein Forum. Denn die ersten Zionisten, in deren Tradition sich auch Einstein befand, hätten die Idee eines Ausgleichs mit den arabischen Völkern gesucht. So schrieb Einstein 1929 an den späteren ersten Staatspräsidenten von Israel, Cain Weizmann: „Wenn wir keinen Weg zu ehrlicher Zusammenarbeit und zu ehrlichen Verhandlungen mit den Arabern finden, dann haben wir nichts aus unserer zweitausendjährigen Leidensgeschichte gelernt, und wir verdienen das Schicksal, das uns ereilen wird.“

Diesen Friedensweg wollten die Referenten im Einstein Forum einschlagen. Ob der Zionismus dazu noch die richtige Antwort gibt, darüber war man sich nicht sicher. Doch, so bemerkte der Literaturprofessor Menachem Brinker, hätte der Zionismus auch viel erreicht. Besonders dass die früher fast tote hebräische Sprache jetzt wieder überall in Israel gesprochen wird. Einstein, der auch hebräisch sprechen konnte, hätte es gefreut.

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